Silberschwester - 14
ein Knochen von einer Hundemeute.
Verständlich, wo sie doch mit ihrem einzigen Bruder aufwuchs und oft auch
dessen einziger Spielgefährte war.
Nun nahm das
Turnier den üblichen Fortgang: mit einem wilden Getümmel – einer Art
Scheingefecht, das sich zumeist in eine Reihe von Zweikämpfen auflöst … Zuerst
wurden die Ritter in zwei Gruppen eingeteilt, die sogleich mit eingelegten
Lanzen aufeinander losgingen. Sobald die meisten Kämpfer abgeworfen waren,
folgte der Nahkampf. An Waffen benutzten sie ziemlich alles … von schweren
Schwertern über Hellebarden bis zu Keulen und Netzen. Es war weder ungewöhnlich
noch unritterlich, dass sich mehrere Kämpfer auf einen stürzten, vor allem,
wenn der Rang und Namen hatte. Besiegte, Verwundete schickte man zum Feldscher,
dass er nach ihnen sah. Ein Lösegeld an den Sieger … das wurde dann später,
privat und in standesgemäßer Art, geregelt.
Einige Ritter
kämpften bemerkenswert gut. Mark erkannte ich gleich an seinen Farben, Blau und
Silber, seinem Waffenrock und Wappen – Balken in Silber und Azur, ein laufender
Eber mit dem Zeichen eines Zweitgeborenen darüber: dem schwarzen Halbmond. Er
war äußerst stark und schien unermüdlich. Ich freute mich, obwohl ich nicht auf
ihn gewettet hatte, über seinen prächtigen Stand.
Über den
geheimnisvollen fremden Ritter waren viele Gerüchte im Umlauf. Die
Spekulationen reichten von »ein verkleideter reicher Prinz« bis zu »junger Held
halbadliger Herkunft, der sich in besagte Dame verliebt und doch den Mut
gefunden hat, um sie zu kämpfen«. Er schlug sich auch erstaunlich gut … Zwar
fehlte es ihm an roher Kraft, aber das machte er durch Schnelligkeit und
Intelligenz wett. Die erfahreneren Ritter ließen ihn unbeachtet und kämpften
gegen ihresgleichen. Und er ließ sie gewähren, einander ausschalten, während er
seine Kräfte schonte, indem er gegen weniger erprobte Leute focht. So viel
taktische Klugheit war ungewöhnlich für einen jungen Kämpfer und machte ihn,
zusammen mit seiner ausgezeichneten Schwertführung, zu einem ernst zu nehmenden
Gegner.
Der Tag
verging, langsam, aber unaufhaltsam, und ein Kämpfer nach dem anderen schied
aus, bis es schließlich zum letzten, entscheidenden Strauß zwischen Mark und
dem seltsamen »Elwen Trumen« kam. Natürlich wünschte ich Mark den Sieg. Aber
ich fragte mich doch, wie er mit diesem behänden Jüngling fertig werden wollte
…
Der Kampf
begann, und die zwei schienen einander ebenbürtig. Sie ließen Hagel von Hieben
aufeinander prasseln, und keiner von den beiden wich oder wankte. Mark führte
seinen schweren Zweihänder, sein Gegner ein leichteres, kürzeres Schwert und
ein langes Messer. Sie umkreisten einander, schlugen nun zu, wichen und
attackierten. Irgendwann taumelte der junge Mann dann doch, taumelte bald noch
einmal. Die Länge des Turniers zeigte bei ihm Wirkung. Marks Kraft aber war
ungebrochen.
Schließlich
lag der Jüngling ohne Schild und Waffe im Staub. Mark trat jetzt triumphierend
über ihn, schnitt ihm mit der Schwertspitze den Helmriemen durch. Als der Helm
zurückfiel, kamen die langen blonden Zöpfe und das Gesicht einer jungen Frau
zum Vorschein!
»Elyta! Was in
aller Welt? Warum?«, rief erstaunt Lord Brier aus seiner Loge.
Sie jedoch
starrte mit ihren blauen Augen den Sieger an. Ihr Gesicht war mit Staub und
Blut und Schweiß bedeckt, und der Atem ging ihr schwer.
Und sie
beantwortete nur die zweite Frage. »Ich verdiene das Recht, über mein Los zu
bestimmen, Vater, und so wollte ich es für mich selbst gewinnen.«
Nun nahm der
Sieger seinen Helm ab, aber da kamen nicht die schwarzen Locken von Mark zum
Vorschein, sondern die blonden Locken und die blauen Augen eines anderen Brier!
»Habe ich es
dir nicht gesagt, dass ich diesen Kampf gewinne, Schwester?«, lachte er, nahm
den Helm mit dem fremden Wappen unter den Arm und reichte der jungen Dame
galant die Hand. »Nun, mir war es wichtig, dass es einer von uns sei, Gawain«,
erwiderte sie, ohne die kleinste Irritation im Ton, »und du musst zugeben, dass
ich das vorzüglich organisiert habe!« Und mit einem Lächeln ergriff sie seine
Hand und zog sich daran hoch.
Der Lord
starrte sie nur stumm an, unfähig all das zu verstehen. Da kam der zierliche
Junge mit den großen braunen Augen aus ihrem Zelt … und er trug eine genauso
schlichte Rüstung wie sie. Das hatte ich mir ja gedacht, dass der junge Mark
bald erschiene, um zu sehen, welcher Erfolg dem Bemühen seiner
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