Silberstern Sternentänzers Sohn 02 - Gefährliche Traeume
ausweichend. Sie wusste ja selbst noch nicht, wie es weitergehen würde. Doch Carolin hatte mit dieser Frage einen empfindlichen Nerv getroffen.
„Na, Annit, konntest du alle erreichen?“, fragte Karla Holm, als sie mit Mannito von draußen hereinkam. „Ist alles in Ordnung?“
Annit schreckte aus ihren Gedanken hoch. „Ja, alles klar“, nickte sie und war froh über die Ablenkung. „Und was habt ihr gemacht?“
Mannito hatte sich in den Besuchersessel gesetzt und die Beine lang ausgestreckt. „Wir haben mit Hugo ein paar Leute aus dem Nachbardorf hier herumgeführt“, sagte er, „und ihnen erzählt, wie die Bären sich auf den Winter vorbereiten.“
Karla Holm lachte. „Die Leute waren noch nie hier im Natari-Park gewesen, obwohl er vor ihrer Haustür liegt. Aber jetzt interessieren sie sich sehr dafür, was wir hier machen.“
„Und, was habt ihr ihnen erzählt?“, fragte Annit.
Mannito zog die Beine an und setzte sich gerade hin. „Also, weil Bären im Winter nicht genug Nahrung finden, begeben sie sich zur Winterruhe. Das ist kein Winterschlaf wie bei Igeln oder Schildkröten, nur die Körperfunktionen des Tieres wie Herzschlag und Atmung gehen deutlich zurück. Die Ruhe beginnt meist im November. Um nicht zu verhungern, sammeln die Bären im Herbst Vorräte und fressen sich einen dicken Bauch an. Fettgewebe nennen wir das, streng wissenschaftlich gesprochen.“
„Aha“, machte Annit. Sie wollte noch grinsend „Herr Professor“ hinzufügen, ließ es aber bleiben.
„Hugo hat dann noch erklärt, wie groß und schwer Bären werden“, fügte Mannito hinzu. „Rate mal, wie viel ein Bärenjunges wiegt, wenn es auf die Welt kommt.“
Annit zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung“, gab sie zu.
Mannito grinste. Dann setzte er eine Miene auf wie ein Lehrer, der zu seinen unwissenden Schülern spricht. „Bärenkinder wiegen bei Geburt weniger als 400 Gramm. Aber ein ausgewachsener Braunbär wird bis zu 250 Kilogramm schwer. Seine Kopfrumpflänge kann bis zu 280 Zentimetern betragen und die Schulterhöhe bis zu 150 Zentimetern.“
Annit lachte. „Meine Lehrerin zu Hause könnte einiges von dir lernen.“ Über Mannitos Erzählungen vergaß sie völlig, dass sie noch Rocco, den Feuerschlucker, Artisten und Zirkusdirektor, hatte anrufen wollen. Sie freute sich in diesem Moment einfach nur, dass der Natari-Park gerettet war.
Tags darauf ritt Annit zum Haus des Bürgermeisters. Sie wollte unbedingt mit Chico sprechen. Immer wieder war ihr der Traum durch den Kopf gegangen, in dem Silberstern Chicos Hund getragen hatte. Sie hatte hin und her überlegt, was das wohl bedeuten könnte.
Nun hatte sie die Lösung. Klar, Lucky ist krank. Deshalb will er nicht springen. Und das wollte sie Chico erzählen.
Der Junge spielte mit seinem Hund im Garten vor dem Haus. Allerdings hatte Chico es inzwischen aufgegeben, dass Lucky durch einen Reifen springen sollte - nach all den vielen vergeblichen Versuchen.
„Hallo, Chico“, rief Annit schon von Weitem.
Lucky erkannte sofort Annits Stimme und Silbersterns Hufschlag. Er tapste langsam auf sie zu und strich um Silbersterns Hufe.
Annit glitt aus dem Sattel, nahm Chico an die Hand und setzte sich mit ihm ins Gras. „Ich bin nicht zufällig hier vorbeigekommen“, erklärte sie. „Ich wollte dich treffen.“
Chico sah sie erstaunt an. „Warum? Was gibt’s denn?“
„Mir ist da nämlich was eingefallen“, begann Annit, als Lucky auf sie zukam und an ihrem Knie schnüffelte. Annit blickte zu Silberstern, der sie mit seinen großen dunklen Augen anschaute. Sie fuhr fort: „Wegen Lucky. Und warum er nicht durch den Reifen springt!“
Chico strich über Luckys Kopf, eine zärtliche Geste, die ihn fast ein bisschen verlegen machte. „Ja, und?“, fragte er neugierig.
„Nun, Lucky könnte vielleicht krank sein“, erklärte Annit. „So krank, dass er sich nur unter Schmerzen bewegen kann. Deswegen kann und will er nicht durch den Reifen springen. Seit wann geht er denn nicht mehr die Treppe hinauf?“
Chico hockte neben Annit und sah sie mit großen Augen an. Er schien zu überlegen. „Ungefähr eine Woche vielleicht.“
„Es sieht also grad so aus, als würde sich seine Krankheit verschlechtern. Denn du sagst ja, vorher hatte er kein Problem beim Treppensteigen.“ Während Annit so sprach, wanderten ihre Gedanken wie von selbst noch einmal zu dem Traum. Dem Traum, in dem
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