Silberstern Sternentaenzers Sohn 05 - Die alte Prophezeiung
nichts erzählt hab. Daraufhin hat er ihn allen Dorfbewohnern als ein einzigartiges Pferd vorgestellt, das aus seiner Zucht stammt“, schilderte Annit hastig. „Jedenfalls hat sich dieser Habib, als ich gerade beim Abendessen war, einfach Silberstern geschnappt und wollte auf diesem tollen Pferd reiten, ohne dass ich davon wusste.“
„Und?“
Annit schnaufte tief durch. „Silberstern ist völlig ausgerastet. Bockte, stieg und hat Habib abgeworfen. Der Typ hat sich verletzt. Caro, ich war dabei, so hab ich Silberstern noch nie erlebt. Er war ... total aggressiv und wild.“
Carolin schwieg.
„Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis er sich auch mir gegenüber so verhält“, fuhr Annit aufgebracht fort. „Bis er auch mir seine böse Seite zeigt.“
„Aber das muss doch nicht sein“, versuchte Carolin, die Freundin zu trösten. Doch ihre Stimme klang schwach und wenig überzeugend.
„Und wenn doch? Was dann, Caro?“
Keine Antwort.
Annit atmete tief. „Ich muss jetzt aufhören, Caro.“
„Aber meld dich bald wieder! Versprochen?“
„Versprochen!“ Annit schaltete das Handy aus und starrte gedankenverloren in das Wasser. Immer wieder tauchte Silberstern vor ihrem geistigen Auge auf.
„Nein!!!“
„Annit, wach auf!“
Annit schlug die Augen auf und blickte in Alishas besorgtes Gesicht.
Sacht strich Alisha mit der Hand über ihre Wange. „Schscht, ganz ruhig!“, sagte sie leise. „Du hattest nur einen Albtraum, er ist vorbei. Es ist alles gut.“
Schlaftrunken nickte Annit.
Alisha rückte näher zu ihr. „Zu viel denken und grübeln raubt dir die Ruhe“, fuhr sie mit sanfter Stimme fort. „Du musst loslassen. Was abgeschlossen ist, soll man als fortgegangen betrachten, sagt man bei uns.“
Annit zwang sich zu einem Lächeln. Nichts lieber als das! Aber abgeschlossen ist noch überhaupt nichts. Und wird es vielleicht auch niemals sein.
Alisha strich über Annits heiße Stirn. „Den Ärger, den man im Herzen trägt, soll man nicht mit in den Schlaf nehmen.“
Annit nickte nur, drehte sich zur Seite und schloss die Augen. Sie tat so, als würde sie wieder schlafen. Deine Versuche sind ja rührend, Alisha. Aber bei mir geht es nicht um Ärger.
Ja, es war ein Albtraum gewesen, aus dem Annit hochgeschreckt war. Wieder der gleiche schreckliche Albtraum mit den züngelnden Flammen, die aus den Augenhöhlen des Rappen schlugen. Wieder der gleiche Traum wie gestern Nacht und in der Nacht zuvor.
Annit blieb eine Weile reglos liegen. Als sie Alishas regelmäßige Atemzüge hörte, stand sie leise auf und schlich sich nach draußen. Sie hockte sich vor das Zelt und blickte in den atemberaubenden Sternenhimmel. Doch sie war so sehr in ihre Gedanken verstrickt, dass sie gar nicht richtig wahrnahm, wie hell und schön die Millionen von Sternen eigentlich leuchteten.
Annit sah den herrlichen schwarzen Hengst vor sich, spürte sein seidenweiches Fell. Mein lieber Silberstern, dachte sie voller Zärtlichkeit. Doch im nächsten Moment schossen die anderen Bilder durch ihren Kopf. Der Hengst mit geblähten Nüstern, angelegten Ohren, wild um sich keilend und bockend. Wer von beiden bist du, Silberstern? Annit steckte ihre Hände in den Wüstensand und ließ den Sand durch ihre Finger rieseln. Zum ersten Mal, seit sie Silberstern kannte, hatte sie Angst vor ihm.
Sie schloss die Augen und erinnerte sich an einen Abend in Polen, als sie noch mit Roccos Zirkustruppe unterwegs gewesen war. Ihr Auftritt war ein voller Erfolg gewesen. Sie hatte mit Silberstern wieder mal eine super Voltigiernummer hingelegt. Damals hatte sie sich vorgestellt, ein Leben lang auf Silbersterns Rücken durch die Luft zu wirbeln und für immer mit ihm zusammenbleiben zu können. Damals hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als dass Silberstern ihr gehören würde. Und jetzt? Plötzlich war alles anders. Plötzlich hatte Annit sogar Angst davor, auf seinen Rücken zu steigen. Silberstern, du bist doch mein bester Freund! Bis zu diesem Nachmittag hatte sie sich mit ihm so verbunden gefühlt wie mit keinem anderen Wesen. Und mit einem Male erschien er ihr fremd und bedrohlich. Annit blickte wieder in den Sternenhimmel und fasste schweren Herzens einen Entschluss.
Welches Geheimnis birgt die Truhe?
Am nächsten Tag marschierte Annit zu Fuß zum Trainingsplatz. Die anderen hatten si£h mit den Pferden schon in Reihen aufgestellt. Mannito und Yussuf
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