Silberstern Sternentaenzers Sohn 06 - Annit und der Geschichtenerzaehler
stellte die Körbe ab und machte sich zusammen mit seinen Freunden aus dem Staub.
In diesem Moment kam Alisha um die Ecke. Ihr Blick fiel auf die Körbe, dann lächelte sie vielsagend. „Jetzt ist es also an der Zeit.“
Annit deutete auf die Körbe voller Sand. „Was soll das hier werden?“
„Das ist Sand aus dem Flussbett“, erklärte Alisha und kippte den Inhalt der Körbe vor dem Zelt auf den Boden. „Hilf mir!“
Ohne zu wissen warum, leerte Annit den anderen Korb aus. „Und jetzt?“
„Wir backen Brot für die lange Reise. Der Sand ist unser Ofen“, erklärte Alisha.
„Ähm ... wie?“
Alisha entzündete in dem Sand mit ein paar Kohlen ein Feuer, stand auf, nahm Annit an der Hand und zog sie in die Küche. „Wir müssen Weizenmehl kneten, mit Wasser und etwas Salz.“ Sie setzte sich auf den Boden und begann, in einem Gefäß den Teig zu kneten. Annit beschloss, nicht weiter zu fragen, sondern einfach das zu tun, was Alisha ihr vormachte.
Nach einer Weile sprang Alisha auf. „Ich muss das Feuer ausmachen, sonst brennt das Brot hernach an.“
Ja klar, dachte Annit irritiert. In unserem Sandofen verbrennt dann das Brot.
Als Alisha schon zahlreiche dicke Teigkugeln geformt hatte, ließ Annit immer noch das Mehl durch ihre Finger rieseln. „Ich glaub, meine hausfraulichen Fähigkeiten sind nicht besonders gut“, sagte sie mit einem entschuldigenden Lächeln zu Alisha.
Die nickte nur, nahm ihr das Gefäß aus der Hand und verarbeitete alles zu einem Teig. Sie klatschte die Teigkugeln ordentlich mit den Händen und brachte schließlich alles nach draußen. Annit folgte ihr neugierig.
Akribisch genau prüfte Alisha, dass keine Glut mehr in der Sandmulde war, bestäubte den Sand üppig mit Mehl, gab die Teigteile in den heißen Sand und bedeckte alles sorgfältig mit viel Sand.
„Und das soll Brot werden?“, fragte Annit mehr als skeptisch.
„Sehr lecker“, nickte Alisha und rollte ihre Augen.
„Aber sonst backt ihr das Brot doch ganz anders?“
„Das ist ein besonderes Brot. Eins, das sehr, sehr lange haltbar ist. Gut für die Reise“, erklärte Alisha.
Annit kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Dann brechen wir also wirklich bald auf?“
„Ja, nun ist es so weit“, bestätigte Alisha. „Unsere Zeit hier ist beendet.“
Annit sah das Mädchen mit großen Augen an. „Und woher weißt du das so genau?“
Alisha deutete auf den Boden. „Von dem Sand.“
Mit einem Satz sprang Annit auf und lief zum Zelt des Stammesfürsten. Er thronte auf seinem Kissen und winkte sie zu sich.
„Stimmt das?“, platzte Annit gleich los. „Stimmt das, dass ihr ... dass wir nun weiterziehen?“
Der Stammesfürst nickte. „Ja. Unsere Zeit an diesem Ort ist nun zu Ende. Wir brauchen eine neue Futterstelle für die Tiere. Ich hab dir ja kürzlich schon gesagt, dass wir bald weiterziehen werden. So ist das Leben der Nomaden. Wir leben immer nur für bestimmte Zeit an einem bestimmten Ort, dann wandern wir weiter und suchen uns einen neuen Platz.“
„Cool!“, jubelte Annit und düste gleich zu Mannito, um ihm die Nachricht zu überbringen.
Im Grunde ihres Herzens fühlte sie sich wie eine No madin. Es war wider ihre Natur, zu lange an einem Ort zu bleiben. Daher hatte sie sich von Anfang an auf die bevorstehende Reise sehr gefreut. Außerdem hoffte sie, unterwegs vielleicht einen Hinweis auf Silbersterns Vergangenheit zu bekommen.
Noch am gleichen Abend versammelte sich bei Anbruch der Dunkelheit der Ältestenrat des Dorfes. Ein lauter Trommelwirbel hatte die Zusammenkunft angekündigt, und Annit schlich zusammen mit Mannito und Yussuf auf ihren Beobachtungsposten im Schatten der Zelte.
In der Mitte des Halbkreises stand der Geschichtenerzähler, der sich weiterhin im Dorf aufhielt und nach den Tieren sah. Ganz in Schwarz, wie immer. Auf seiner Hand, die in einem dicken Handschuh steckte, krallte sich ein prächtiger Falke fest. Einer der älteren Männer erhob sich, streckte seine Arme zum Himmel und begann mit einem eigenartigen Singsang, die anderen Männer stimmten in den Refrain mit ein.
Als der Mann seinen Singsang beendet hatte, löste der Geschichtenerzähler die Schnur, an der der Falke festgebunden war. Er machte eine ausholende Armbewegung und schleuderte den Vogel weit nach oben in die Lüfte. Der Falke breitete seine Schwingen aus und stieg in den Himmel. Die Augen aller Männer hafteten wie gebannt an dem
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