Silberstern Sternentaenzers Sohn 06 - Annit und der Geschichtenerzaehler
Stammesfürsten. „Wie lange dauert unsere Reise denn noch?“
„Bis wir einen guten Platz gefunden haben“, gab er zurück. „Wir müssen geduldig sein.“
Geduldig! Schon wieder! „Und ungefähr?“, fragte Annit aufgewühlt. „Zwei Tage, zwei Wochen, noch länger?“
Der Stammesfürst legte eine Hand auf ihren Arm. „Das kann ich dir nicht sagen.“
Annit schaute sich um. Den Beduinen schien die beschwerliche Reise wirklich nichts auszumachen. Sie saßen zusammen am Lagerfeuer und unterhielten sich, einige Frauen kümmerten sich um die Tiere, andere kochten.
Der Stammesfürst folgte ihren Blicken. „Wir sind Beduinen. Das ist unser Leben. So lebten unsere Urahnen, so werden unsere Söhne und Töchter leben", beantwortete er ihre nicht gestellte Frage. „Es ist unsere Bestimmung, umherzuziehen.“ Er deutete nach oben in den sternenklaren Himmel. „Das ist unser Dach.“ Er nahm eine Hand voll Sand, „Das ist unsere Heimat.“
Annit drehte den Kopf, sodass sie ihm in die Augen blicken konnte. „Habt ihr nicht manchmal Lust auf ein bequemeres Leben?“
„Wir haben alles, was wir brauchen, und noch viel mehr.“ Ein Lächeln umspielte die Lippen des Beduinen. „Wer die Wüste nicht kennt und ihren Atem nicht ge spürt hat, wird ein Leben lang erfüllt sein von Sehnsucht. Denn nur hier, wo Allah alles Überflüssige entfernt hat, findet ein Mensch die Unendlichkeit.“
Da begann einer der Dorfbewohner zu trommeln, die anderen begleiteten ihn mit einem Sprechgesang. Annit hob den Kopf, lauschte den Gesängen und war zutiefst dankbar, dass es Mannito wieder besser ging.
Der geheimnisvolle Traum
Als Annit in dieser Nacht die Augen schloss, dauerte es ebenfalls nicht allzu lange, bis der Traum sie wieder plagte.
Ein wunderschöner Rappe mit einem hellen Stern auf der Stirn trabte über ein Feld. Er war herrlich anzusehen. Alles schien ganz friedlich. Doch plötzlich blieb er stehen, stieg und keilte aus - ganz ohne Vorwarnung. Das Pferd schien völlig aggressiv. Es drehte sich so schnell um sich selbst, dass es nur schemenhaft zu erkennen war. Doch auf einmal sah Annit seinen Kopf ganz deutlich. Seine Augen, die eigentlich keine waren, sondern tiefe, dunkle Löcher, aus denen züngelnde Feuerflammen aufstiegen. Alles wirkte düster und bedrohlich. Der Feuerschein der Flammen flackerte heller als tausend Sonnen und formte sich zu einem riesigen Feuerkreis. Annit wollte schreien, doch es kam kein Ton über ihre Lippen. Plötzlich wurde das Licht diffus. Dicke, dichte Wolken, schwarz wie die Nacht, schoben sich vor Silberstern und verhüllten den Him mel. Wind kam auf, erst ganz leicht, dann immer kräftiger, baute sich zu einem schrecklichen Sturm. Sand wirbelte hoch durch die Luft. Immer mehr. Man konnte meinen, die Welt ginge unter. In diesem Sturm jagte ein Pferd dahin. Silber stern, auf seinem Rücken saß Annit...
Annit schreckte hoch. Gänsehaut kroch ihre Arme entlang. Sie fröstelte. Ein Schauer nach dem anderen jagte ihren Rücken hinunter. Was war das denn nun? Der Traum hatte eine Fortsetzung, Silberstern und ich, wir kamen in einen Sturm. Annit blickte in den sternenklaren Himmel über sich. Weit und breit war kein Wölkchen zu sehen. Kein Sandkorn bewegte sich. Silberstern, was willst du mir mit diesem Traum sagen? Was hat das zu bedeuten? Annit zweifelte keine Sekunde, dass Silberstern ihr diesen Traum geschickt hatte. Der Feuerkreis war das eindeutige Zeichen dafür. Sie atmete tief durch. Seit ich hier in der Wüste bin, hat es nur einen einzigen Sturm gegeben. Einen Sandsturm, bei dem wir das Zelt nicht verlassen konnten. Will Silberstern mir damit vielleicht mitteilen, dass es wieder einen Sturm geben wird? Einen viel heftigeren, schlimmeren Sturm als damals? Ganz klar, Silberstern schickt mir in meinen Träumen Botschaften, um mich vor Gefahren zu warnen. Unruhig drehte sich Annit auf die andere Seite und grübelte weiter. Es sieht fast so aus, als wollte mich Silberstern vor einem Sturm warnen. Was sonst könnte dieser Traum bedeuten? Annit kuschelte sich in ihre Decke und versuchte, wieder einzuschlafen. Doch sie wälzte sich nur hin und her und fand keinen Schlaf. Silbersterns Warnung war zu beun ruhigend und ließ sie nicht mehr los.
Schließlich stand sie auf und lief zu Mannito. Rüttelte an seiner Schulter. „Wach auf, Mannito“, raunte sie in sein Ohr. „Wach bitte auf!“
Nach einer Weile schlug
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