Silberstern Sternentaenzers Sohn 06 - Annit und der Geschichtenerzaehler
Mannito die Augen auf. „Oh nee!“, stöhnte er. „Ich hab grad so schön geträumt.“
„Und ich schlecht“, erwiderte Annit aufgebracht. „Von einem fürchterlichen Sturm.“
Mannito blinzelte und guckte in den Himmel. „Es ist keine einzige Wolke zu sehen." Er verzog das Gesicht zu einem leichten Grinsen. „Wahrscheinlich hattest du eine Halluzination.“
Annit packte ihn fester an der Schulter. „Silberstern und ich, wir sind durch diesen Sturm geritten. Mannito! Es war kein normaler Traum, es war eine Botschaft, wie Silberstern sie mir schickt. Versteh doch endlich!“
Mit einem Schlag war Mannito hellwach. Er wusste um Silbersterns magische Gabe. Annit hatte ihm in der Türkei davon erzählt, und er hatte ihr sofort geglaubt. Wie auch jetzt.
„Aber ... das bedeutet, dass ein Sturm aufziehen wird.“
„Genau!“ Annit nickte so heftig, dass ihre langen schwarzen Haare um ihr Gesicht flogen. „Es war ein Wahnsinnssturm, Mannito“, stieß sie hervor.
Mannito setzte sich auf und betrachtete den nacht blauen Himmel, an dem unzählige Sterne funkelten. „Sieht aber echt nicht nach einem Sturm aus“, überlegte er und drehte den Kopf zu Annit. „Was hast du sonst noch gesehen in deinem Traum? Wo war dieser Sturm? Vielleicht kommt er ja ganz woanders auf? Oder viel leicht erst später, wenn wir bereits weitergezogen sind?“
Annit versuchte, sich an die Bilder in ihrem Traum zu erinnern. „Ich weiß es nicht, Mannito. Da waren nur diese dicken schwarzen Wolken und dieser unglaubliche Wind. Und Silberstern und ich ... und viel, viel Sand.“
Grübelnd blickte Mannito erneut in den Himmel, dann hinüber zu den Kamelen und Pferden, den Schafen, die eng aneinandergedrängt auf dem Boden kauerten, wei ter zu den notdürftig errichteten Schlafstätten der Be duinen. Ein paar Stöcke in den Boden gerammt, darüber eine Plane oder ein selbst gebasteltes Strauchdach, mehr w ar da nicht. „Wenn so ein Sturm käme, würde jedenfalls alles kaputtgehen“, murmelte er besorgt. „Alles.“
Annit warf ihre langen Haare in den Nacken. Es war s chön, sie mal wieder offen auf dem Rücken zu spüren u nd sie nicht unter einem Kopftuch verbergen zu müssen.
Eine Weile saßen beide schweigend nebeneinander.
„Was soll ich tun, Mannito?“, fragte Annit leise.
„Du solltest dem Stammesfürsten davon erzählen“, meinte Mannito schließlich. „Er weiß ja auch, was deine Silberstern-Träume zu bedeuten haben.“ Annit nickte. „Du hast recht. Gleich morgen früh.“ Gähnend erhob sie sich und.ging zurück an ihren Schlafplatz. Sie fühlte sich etwas erleichtert. Ja, das muss ich tun, den Stammesfürsten informieren! Sie wickelte sich in ihre Decke und war kurz darauf tief und fest eingeschlafen.
Als Annit die Augen wieder öffnete, war der Tag noch nicht ganz heraufgezogen. Der Morgen dämmerte langsam heran, auf dem Rastplatz herrschte noch Ruhe - nur Alisha und ein anderes Beduinenmädchen, die beide auf die Schafe aufpassten, waren schon bei der Arbeit.
Annit stand auf und streckte sich, sie hatte unbequem gelegen und spürte jeden Knochen. Sie schaute sich kurz um und ging hinüber zu den beiden Mädchen. „Guten Morgen“, rief sie.
„Du bist früh auf“, wunderte sich Alisha.
„Ich hatte einen Traum“, erklärte Annit - und sofort schossen wieder die Bilder der Nacht durch ihren Kopf. „Ich hab geträumt, dass sich der Himmel verfinstert und dass es einen fürchterlichen Sturm geben wird.“
Alisha prustete los. „Du hast komische Träume. Aber du musst keine Angst haben, Annit, das Wetter sieht überhaupt nicht nach einem Sturm aus!“
„Und wenn doch?“, hakte Annit vorsichtig nach.
Kichernd wandte sich Alisha an das Beduinenmädchen neben ihr und übersetzte Annits Worte. Auch sie schmunzelte ein wenig.
„Mit deinem komischen Traum hast du sogar unsere Ilia etwas heiter gestimmt“, meinte Alisha und lächelte. „Du musst keine Angst haben, es gibt keinen Sturm. Wir kennen die Wüste.“
„Aber ich hab’s ganz genau gesehen“, startete Annit noch einen Versuch. Doch Alisha reagierte nicht mehr.
Annit betrachtete llia. Sie wirkte tatsächlich traurig. „Was ist denn mit ihr?“
„Oh, es ist das Herz!“ Alisha rollte mit ihren dunklen Augen. „Sie hat nur noch Hamsa im Kopf. Hamsa hier, Hamsa da! Sie kann nicht mehr essen, schlafen, Schafe hüten.“
Annit grinste. „Bei uns nennt man das
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