Silberstern Sternentaenzers Sohn 06 - Annit und der Geschichtenerzaehler
nicht dabeihaben, aber ich hab mich nicht abschütteln lassen. Ich hatte die Reise doch gar nicht geplant.“
„Super“, knurrte Mannito ungehalten.
Annit blieb stehen, „jetzt komm doch bitte wieder runter, Mannito! Ich hatte einfach so eine Riesenangst um Silberstern, dass ich alles andere vergessen hab.“
Mannito drehte den Kopf, sodass er ihr in die Augen blicken konnte. Er nickte. „Stimmt. Sogar deine Eltern hast du vergessen.“
„Was redest du da für einen Quatsch?!“ Langsam wurde Annit auch sauer. „Hab ich nicht!“
„Oh doch!“ Mannitos Augen funkelten. „Wir haben Mohammed verpasst. Er war hier und ist nun mit seinem Transporter bereits unterwegs in Richtung Türkei. Aber ohne uns!“
Annit blieb wie angewurzelt stehen und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Oh nein! Das hab ich ja total vergessen.“ Der Brief. Achmeds Eltern. Die Fahrt mit Mohammed nach Dedeli.
„Sag ich doch“, nickte Mannito etwas milder gestimmt. „In den nächsten Tagen dürfte Mohammed in Dedeli sein, wir aber nicht.“
„Und Elena und Achmed warten vergebens.“ Annit lehnte ihre Stirn gegen das seidenweiche Fell ihres Pferdes. „Und ich hab die Chance verpasst, meine Großeltern kennenzulernen.“
Als Mannito merkte, dass Annit zitterte, verrauchte sein Zorn. Er legte eine Hand auf ihre Schulter. „Es war eben wichtiger, Silberstern zu retten.“
„Vielleicht bietet sich so eine Chance nie wieder“, schniefte Annit in Silbersterns Fell.
„Vielleicht hättest du sonst Silberstern nie wiedergesehen“, versuchte Mannito jetzt, die Freundin zu trösten.
„Du hast recht.“ Annit straffte ihre Schultern und wischte sich verstohlen über die feuchten Augen. „Es gab keine andere Möglichkeit, man kann nur einen Weg gehen.“ Sie drückte Mannito Silbersterns Zügel in die Hand. „Kümmerst du dich bitte um ihn, ich muss meinen Eltern sofort einen Brief schreiben.“
Zu blöde, dass meine Eltern keinen Computer haben, dann könnte ich ihnen schnell eine Mail schicken, dachte Annit auf
dem Weg in ihr Zelt. Bis der Brief eintrifft, das dauert bestimmt! Wer weiß, wann wieder einer der Beduinen in den nächsten Ort kommt, um ihn aufzugeben?! Geschwind holte sie dort Block und Stift aus ihrem Rucksack und begann zu schreiben. „Geliebte Eltern. Ich schreibe Euch heute mit einem schlechten Gewissen, so schwer wie ein Sack Zement. Es hat leider, leider nicht geklappt mit unserer Rückreise nach Dedeli. Es tut mir so leid - auch dass ich Achmeds Eltern jetzt nicht treffen kann. Ich hatte mich schon so auf sie gefreut. Aber es ist etwas sehr Wichtiges dazwischengekommen. Silberstern wurde nämlich gestohlen, und ich musste ihn retten. Das versteht Ihr doch? Ich hatte so große Angst um ihn. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass Ihr nicht böse oder traurig seid und dass wir unser Treffen bald nachholen können. Ich hab Euch lieb. Annit.“
Kaum hatte Annit den Brief zusammengefaltet und die Schreibutensilien wieder zurück in ihren Rucksack gesteckt, kam Alisha herein.
Das Beduinenmädchen freute sich sehr, dass Annit endlich wieder zurück war, und umarmte sie zur Begrüßung. „Du warst einfach weg. Aber jetzt erzähl doch mal! Ich will wissen, was du alles erlebt hast“, forderte Alisha sie auf.
Darum ließ sich Annit nicht zweimal bitten und lieferte Alisha einen ausführlichen Bericht über ihre lange Reise nach Jordanien.
Zurück im Dorf kehrte auch für Annit schnell der Alltag wieder ein. Als sie am nächsten Tag das Gemüse putzte, kam Alisha ins Zelt.
„Annit, ich soll dir ausrichten, dass der Geschichtenerzähler im Zelt des Stammesfürsten auf dich wartet“, sagte sie. „Du sollst gleich kommen.“
„Und warum?“
Alisha zuckte die Achsel. „Keine Ahnung, das hat er mir nicht verraten.
Annit wischte sich die Hände ab und lief ins Freie. Was der wohl von mir will?, überlegte sie unterwegs, während ein kleiner Hoffnungsschimmer sie erfasste. Bin ich jetzt vielleicht bereit für die Wahrheit? Ist nun der Zeitpunkt für mich gekommen? Werde ich nun endlich das Geheimnis der magischen Pferde erfahren?
Mit zitternden Händen und weichen Knien betrat Annit das Zelt. Der Stammesfürst thronte auf seinem Kissen, der Geschichtenerzähler saß neben ihm, sein Gesicht war wie immer bis über die Nasenspitze mit einem schwarzen Tuch verhüllt. Er nippte an einem Glas Minztee.
„Hier bin ich“, stammelte Annit
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