Silence
es doch allgemein bekannt, dass wir Italiener die Bibeltreuesten überhaupt sind.«
Giovanni zog eines der Bücher aus dem Stapel neben sich und hielt es mir hin. Die Bibel. Ich nahm sie, blätterte lustlos darin herum und fragte mich, was ich damit sollte.
»Ich sehe schon, die Bibel ist nicht dein Buch. Was hältst du von Stoker. Die Vampirbibel schlechthin.«
»Das ist Fiktion«, sagte ich entrüstet.
»Es gibt Leute, die glauben fest an die Echtheit der Story. Wusstest du das nicht?« Giovanni legte das Buch wieder beiseite. »Wie sieht es mit Werwölfen aus?«
»Also, wenn die Wölfe draußen im Wald die Fähigkeit haben, die menschliche Gestalt anzunehmen, dann hätten wir zumindest dafür einen Beweis. Dann müssten wir nur noch einen fangen und ihn dazu überreden, sich vor den Augen einer ganzen Klasse in einen Menschen zu verwandeln«, sagte ich schnippisch. »Diese Hausaufgabe ist unlösbar. Alles, was wir beweisen können, ist, dass es keine Beweise gibt.«
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, grinste Giovanni. »Außerdem ist mir jede Hausaufgabe recht, wenn ich dadurch mit dir zusammen sein kann.«
Ich schnappte panisch nach Luft und konnte gerade so noch verhindern, dass ich mich an meinem eigenen Speichel verschlucke. »Gib es zu. Du hast die Walsh best ochen.«
»Bestochen? Ich glaube, das war nicht nötig.«
»War auch nur ein Spaß.« Ich zögerte kurz und kaute auf einer Strähne meiner Haare herum. Giovanni strich sie einfach aus meiner Hand und steckte sie hinter meinem Ohr fest. »Mir ist es schon fast peinlich, dass ihr wegen mir bis zum Hals in Zusatzhausaufgaben steckt.«
»Wie meinst du das?«
»Nun ja, es ist wohl offensichtlich, dass die Walsh die Hoffnung hat, ihr könntet meinen Notendurchschnitt etwas aufbessern.«
»Ich weiß nicht, was mit Ermano ist, aber ich habe sie eindeutig bestochen.« Giovanni lächelte mich schief an.
Ich senkte den Blick auf die Bettdecke und blätterte in einem Buch über Mythen. Mit Giovanni war es um so vieles leichter als mit Ermano. Aber er schaffte es immer wieder, dass ich mich innerlich vor Verlegenheit wand.
»Also, du stehst auf Vampirromane?«
»Ja. Du nicht?«, kicherte ich.
»Hmm. Kommt auf die Vampire an. Ich mag sie düster und böse.« Giovanni blätterte in einem Buch und hielt mir ein Bild von einem Holzschnitt hin; ein gehörnter Dämon, dessen Oberkörper menschlich, der Unterkörper aber der einer Ziege war. Auf dem Rücken besaß er zwei riesige Fledermausflügel.
»Nein«, lachte ich. »Dann sind unsere Vorstellungen grundverschieden. Dieses Ding da ist einfach nur hässlich. Ein Vampir sollte sexy sein. Und heldenhaft. Und sexy.«
»Also, so wie ich?«, sagte Giovanni breit grinsend.
Ich ließ meine Augen musternd über Giovannis Körper streifen. »Vielleicht«, sagte ich, so ernst es mir möglich war, musste mir aber auf die Zunge beißen, um nicht zu lachen.
»Vielleicht? Ich habe doch schon bewiesen, dass ich heldenhaft bin. Ich habe dich vor einem nichtvorhandenen Verfolger gerettet. Das war sehr heldenhaft.« Gi ovanni stemmte gespielt entrüstet seine Hände in die Hüften und ließ seine Muskeln sprechen, die sich unter dem engen T-Shirt abzeichneten.
»Ja, du warst heldenhaft«, gab ich gönnerhaft zu.
Ich stand auf, kramte in der Schublade meines Schreibtischs und beförderte ein Bild von James Marsters in der Rolle des Spike zutage.
»So stelle ich mir einen Vampir vor; gut gebaut, Sixpack und unglaublich cool. Aber vor allem gut gebaut.«
»Wasserstoffblond?«, fragte Giovanni und zog die Augenbrauen hoch.
»Nein, nicht unbedingt. Außerdem steht diese Haarfarbe nicht jedem so gut. Die meisten sehen damit einfach nur lächerlich aus.«
»Oh, das beruhigt mich. Ich mag meine schwarzen Haare nämlich ganz gerne. Außerdem war Spike ein elender Jammerlappen. Erst schafft er es nicht, die Jägerin zu killen, und dann rennt er ihr hinterher wie ein Schoßhündchen.« Giovanni nahm mir das Bild aus der Hand und ließ es wieder im Schreibtisch verschwinden.
»Er hat die Welt gerettet«, sagte ich entrüstet.
»Bah, weil er wusste, Joss Whedon holt ihn zurück. Da stirbt es sich leicht.«
»Zufälligerweise hat sein Tod mich sehr getroffen«, sagte ich trotzig.
»Wirklich? Weinst du, wenn ein Film traurig ist? Vielleicht sollten wir mal DVDs anschauen. Etwas Trauriges. Titanic.« Giovanni kam grinsend auf mich zu. »Ich ziehe dich dann in meine Arme, trockne deine Tränen …« Bei dem Wort Tränen strich
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