Silence
ich keuchend vor Angst. »Wie soll ich das durchstehen? Das ist unmöglich. Macht mich zu einem Vampir.«
In meinen Augen war das die einzige Chance, dieser Wandlung zu entgehen; mich in etwas anderes verwandeln zu lassen. Angsterfüllt, doch zugleich hoffnungsvoll starrte ich Ermano an. Meine Hände hielten seine fast flehend fest.
»Das funktioniert so nicht. Das, was daraus entsteht, ist ein Monster. Glaub mir, wenn Werwölfe und Vampire sich einer Sache einig sind, dann darüber, dass ein solches Monster nie wieder existieren darf. Und der Effekt wäre derselbe. Du müsstest durch eine Wandlung durch. Nur würde diese Wandlung der Vampirgene wegen für immer bestehen. Das heißt, du wirst niemals mehr deinen menschlichen Körper annehmen können. Das, was aus dieser Verbindung entsteht, ist das, was du vorhin als Frankensteinmonster bezeichnet hast.«
Ich sprang mit solcher Kraft von meinem Stuhl auf, dass dieser laut scheppernd auf den PVC-Boden kippte. Dann lief ich verzweifelt im Zimmer umher. Ein Werwolf. Ich war ein Werwolf. Etwas Ähnliches hatte ich ironischerweise schon angenommen. Ich meine, das Wort Gestaltwandler ließ nicht allzu viele Möglichkeiten offen. Da ich aber immer der Meinung war, Werwölfe wären reine Fantasiewesen und eine derartige Wandlung rein anatomisch nicht möglich, hatte ich diesen Gedanken gleich wieder verworfen. Aber ich hatte ja auch angenommen, dass Vampire nicht existieren können.
Meine Vorstellungskraft hatte eher nur für kleine Veränderungen ausgereicht; ein anderes Aussehen, blonde Haare, wenn ich mir blonde Haare wünschen würde, ohne lästiges Färben. Oder eine andere Nase, vielleicht ein durchtrainierter Körper, eine Geschlechtsumwandlung hätte auch noch in meine Träumereien gepasst, natürlich nur, um mal zu testen, wie es ist als Junge. Ja, vielleicht sogar, um älter auszusehen, als ich es bin, d amit ich mich in eine Bar schleichen könnte. Eben die perfektionierte Variante eines genialen Schönheitschirurgen nur ohne Skalpell und lästige Narben. Aber Werwölfe? Mir tat schon jeder Knochen im Leib weh, wenn ich nur daran dachte, welche Schmerzen eine solche Wandlung mit sich bringen würde. Die Erinnerung eines sich vor Schmerzen auf dem Rücksitz eines Autos windenden Scott Speedmans in Underworld flackerte in mir auf. Mein Magen krampfte sich zusammen und ich presste keuchend die Fäuste in meinen Bauch.
Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass Giovanni aufspringen und zu mir herüberkommen wollte, als ich mich mit schmerzverzerrtem Gesicht vornüber beugte. Ermano hielt ihn am Arm zurück und schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich hatte er Giovanni gerade ein »Lass ihr Zeit« in den Kopf gesandt.
Wieder krampfte mein Magen. In Höchstgeschwindigkeit stolperte ich in das kleine Bad. Um nach dem Lichtschalter zu suchen, fehlte mir die Zeit. Da ich aber noch gut im Gedächtnis hatte, wie das winzige Bad aufgebaut war, fand ich die Toilette auch im Dunkeln und mit vor Übelkeit zusammengekniffenen Augen. Die Erinnerung daran, wie die Toilette aussah, als ich vorhin geduscht hatte, reichte dann auch aus, mir das Leerräumen meines Magens zu erleichtern. Und die Vorstellung, dass ich mein Gesicht gerade ziemlich nahe über das verdreckte Teil hielt, gab mir die Kraft, mich sofort um einige Zentimeter davon zu entfernen und im Türrahmen zum Schlafraum entkräftet zusammenzubrechen.
Diesmal konnte Ermano seinen Untergebenen nicht zurückhalten. Trotz meiner geschlossenen Augen erkannte ich sofort, wer mich auf seine Arme lud und behutsam auf das Bett legte. Eine kühle Hand strich mir über die Stirn und ich genoss jede Sekunde der herrlich belebenden Berührung.
»Du bist kalt«, flüsterte ich schwach.
»Ich weiß, ich hab noch keinen Ersatz für Michelle gefunden.« Giovanni setzte sich neben mich und hielt meine Hände in seinen.
Keinen Ersatz für Michelle? Wenn mich nicht alles täuschte, liefen gerade in Brevard eine Menge mehr Michelles herum als in Silence. Wo also lag das Problem?
»Jetzt stinke ich wohl wirklich.« Ich zwang mich zu einem Lächeln und richtete mich etwas auf.
»Es ist gar nicht so schlimm«, grinste Giovanni.
Ermano kam herüber und setzte sich auf die andere Seite des Bettes. Auch er strich mir mit kühler Hand über die Stirn.
»Ich sollte wirklich das glücklichste Mädchen der Welt sein. Nicht viele in meinem Alter werden von zwei so gut aussehenden Jungs verhätschelt.« Meine Stimme krächzte etwas von der
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