Silence
herabstürzten, dass mir der Schrei im Hals stecken blieb. Die Körper drückten mich fest auf die Matratze. An jeder Schulter hielt ein Vampir mich fest. Dann senkten sie ihre Köpfe zu meinem Hals und ich konnte ihre Zähne an meiner Kehle spüren. Den letzten Atemzug hatte ich getan, als ich die dunklen Schatten an der Decke entdeckt hatte. Jetzt fing mein Herz auch noch an zu stolpern. Ich wagte nicht, mich zu bewegen.
Die zwei Vampire richteten sich mit Gelächter auf und waren sichtlich stolz auf ihre Leistung. Giovanni zupfte seine Kleidung zurecht und strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Ermano krümmte sich vor Lachen.
Fassungslos starrte ich die Reißzähne an. »Ihr seid wie kleine Kinder. Das ist ja so typisch für Jungs«, schimpfte ich.
»Für Jungs? Würdest du einen Mann um die dreißig noch einen Jungen nennen?«, sagte Ermano und schlug sich vor lachen auf die Schenkel.
»Nein«, sagte ich ernst und kämpfte noch immer um genügend Sauerstoff in meinem Kreislauf. »Aber ich habe gehört, dass Männer im Alter geistig wieder mehr und mehr zu kleinen Kindern werden. Wenn das also auf Männer im reifen Alter von siebzig zutrifft, wo befindet sich dann wohl eure geistige Entwicklungsstufe? Amöbe?«
Ermano prustete los. »Die meisten Menschen haben einiges mehr an Respekt, wenn sie mit mir zusammen sind. Du bist eine herrliche Abwechslung für so einen fün fhundert Jahre alten Greis wie mich.«
»Fü… Fünfhundert? Das ist nicht dein Ernst?« Kein Wunder, dass Ermano manchmal so würdevoll wirkte. »In deinen Augen muss ich wirklich ein dummes Kind sein. Langweilst du dich nicht zu Tode?« Ich konnte mir denken, dass man im Laufe eines so langen Lebens abstump fte. Gesetzte Ziele zu erreichen, war das, was mich antrieb. Aber jetzt, wo ich vielleicht ein sehr langes Leben vor mir hatte …
»Unser Flug geht in drei Stunden. Wir sollten uns also auf den Weg machen. Du kannst im Auto essen. Giovanni hat dir im Diner etwas besorgt und die hübsche Kel lnerin angeknabbert.«
»Ich hoffe, es hat geschmeckt«, sagte ich schnippisch.
Giovanni lachte. »Ich hatte Glück. Sie hat gerade den Müll rausgetragen. Andererseits waren der Dreitagebart und der Schweißgeruch eher lästig.«
»Drei…?« Mein Fuß traf Ermano am Schienbein. »Die Kellnerin ist ein Mann?«
Ermano lachte nur, schnappte sich meine Reisetasche vom Bett und verschwand nach draußen.
»Sie war doch ein Mann, oder?«, fragte ich Giovanni. Blöde, blöde Eifersucht.
Giovanni zog mich für einen stürmischen Kuss in seine Arme. »Nur noch männliche Blutbeutel«, versprach er.
Ich kuschelte mich an Giovannis Brust. »Blutbeutel, sind wir das für euch?«
»Nein. Natürlich nicht. Ihr seid Essen auf Rädern … ähm Schuhen.«
»Sehr witzig. Warte nur, bis ich Klauen habe.«
Fertig werden da drinnen! , hallte Ermanos Stimme durch meinen Kopf.
Bevor ich wusste, was geschah, hatte Giovanni mich schon auf seine Schulter geladen und brachte mich nach draußen, wo mich ein sonniger Tag begrüßte. Kurz blieb ich vor dem Auto mit geschlossenen Augen stehen und tankte Sonnenlicht. Es war angenehm warm und der Himmel wolkenlos. Die Luft hier in Brevard war anders als die in Silence. Es roch nach Frittieröl aus dem Diner, Autoabgasen, dem Dreck, den der Schornstein einer nahe gelegenen Fabrik in die Umwelt pustete.
In Silence roch es nach Natur.
Die Sonnenstrahlen wärmten mein Gesicht und ich fühlte mich gleich besser. Die Gedanken an Knochenbrüche, Wandlungen und Werwölfe und daran, dass ich vielleicht bald sterben würde, schob ich von mir. So ein schöner Tag kann doch nur ein gutes Omen sein.
19. Kapitel
Nach der Aufregung der vergangenen Tage war der Flug Wellness für mich. Ermano hatte den Golf in Charlotte bei einem windigen Autohändler zu Geld gemacht und uns Flugtickets gekauft. Der hübsche Kleinwagen hätte sicher mehr gebracht als das, was uns der Händler gegeben hatte, aber Ermano wollte sich nicht lange mit Verhan dlungen aufhalten.
Wir hatten die Tickets mit dem bezahlt, was der Golf eingebracht hatte, weil Ermano seine Kreditkarten für zu gefährlich hielt.
»Die können zu leicht verfolgt werden. Dann könnten wir deinem Rudel auch gleich eine Postkarte aus Venedig schicken«, hatte er gesagt. Ich bezweifelte, dass »mein Rudel« Ambitionen zur Polizeiarbeit hatte, aber wenn Ermano sichergehen wollte, warum nicht. Und überhaupt, wie klang das? »Rudel.«
Genauso undercover hatten wir dann
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