Silence
Wellen gegen den schwarzen Rumpf. Die Gondel glitt lautlos durch das Wasser. Aus der schmalen Gasse, die wir gerade durchquert hatten hallten eilige Schritte, dann kam der Mann zischen den Häusern hervor und blieb leicht außer Atem am Rand des Stegs stehen. Giovanni zog mich näher an sich und knurrte leise aber bedrohlich.
»Warum folgt der uns?«, fragte ich und wagte nicht, den Fremden aus den Augen zu lassen, bis wir um eine leichte Biegung gefahren waren.
»Er ist ein Wolf«, flüsterte Giovanni. »Keine Angst, ich lasse nicht zu, dass dir jemand etwas tut. Wenn einer dich beißt, dann ich.« Er legte seine Lippen auf meine und küsste mich.
Unser Gondoliere gab uns eine Kostprobe seiner Gesangsstimme. Laut sang er ein italienisches Lied. Ich wünschte, er hätte es gelassen. Ich war nicht wirklich in der Stimmung für Romantik. In meinem Kopf hämmerte eine Migräne und auch dieses Grippegefühl war jetzt wieder da. Es fühlte sich an, als würde jeder Knochen in meinem Körper schmerzen.
Giovanni hielt mich fest in seinen Armen und flüsterte: »Wir haben ihn abgehängt. Entspann dich.«
Den nächsten Tag verbrachte ich viel zu lange im Bett. Als ich es endlich in die altertümliche Küche schaffte, begrüßten mich dort ein heilloses Durcheinander, eine über und über mit Mehl bedeckte Isabella und schlecht gelaunter Dante.
»Guten Tag, du Langschläfer. Ich hatte schon Angst, du würdest den ganzen Tag verschlafen. Vincenzo kann sehr ungehalten sein, wenn seine Ehrengäste ihre Bälle verpassen.«
Ich warf ihm einen bösen Blick zu und brummte etwas unverständliches, dann setzte ich mich an den mit Speisen beladenen Tisch. Mir war nicht nach Party. Mir war nach etwas essen und dann unbedingt schlafen. Jeder Muskel in meinem Körper schien zu schmerzen.
Giovanni setzte sich auf einen der ausgeblichenen Polsterstühle und knurrte Dante an. Dante ignorierte ihn.
Ein Hüsteln ertönte von der Tür her. Neben Ermano stand ein stattlicher Mann mit silbernem Haar. Es war nicht grau. Es war silbern wie das Mondlicht und fiel ihm glatt wie die Oberfläche eines Spiegels bis über die Schultern. Sein Teint war golden und er hatte ein schmales Gesicht. Sein Alter ließ sich unmöglich schät zen. Ich vermutete, dass er Vincenzo war, denn die Helfer in der Küche erstarrten in ihrer Arbeit und verneigten sich.
»Das ist also die junge Wölfin«, sagte er mit einer Stimme, die mich wie ein Seidentuch einhüllte. Er sprach in einem perfekten britischen Englisch. Aber die Vermutung lag nahe, dass man in einem so langen Leben weit herumkommt. Geschmeidig wie ein Tiger schritt er auf mich zu.
Giovanni erho b sich mit mir und begrüßte Vincenzo mit einem knappen: »Vincenzo.« Nicht einmal Vincenzos Augen zuckten kurz zu Giovanni. Keine Reaktion, die auch nur annähernd zeigte, dass er den anderen Vampir wahrgenommen hatte.
Der silberhaarige Vampir blieb vor mir stehen und vergrub seine gerade schlanke Nase in meinem Haar.
»Welch kostbarer Duft. Du bist wahrlich eine von ihnen«, sagte er und ließ eine meiner Haarsträhnen durch seine Finger gleiten. »Heute werden wir kaum Zeit haben, uns zu unterhalten, aber morgen werden wir ausgiebig zu sprechen haben. Ich bin sehr gespannt auf das, was du mir erzählen wirst. Sehr gespannt. So wie meine Gäste, die dich heute kennenlernen dürfen.« Seine silbernen Augen huschten zu Giovanni. »Eine gute Wahl. Das muss man dir lassen.«
Zu Isabella gewandt, sagte er kühl: »Die Zofe kommt in einer Stunde. Ich möchte, dass unsere Principessa die schönste Principessa sein wird, die Venedig je gesehen hat.« Danach schritt er, ohne zurückzublicken, aus der Küche.
Ein Schaue r lief durch mich hindurch. Vincenzos Ausstrahlung hatte mich gelähmt. In dem Moment, als er den Raum betreten hatte, war ich wie erstarrt von der Macht gewesen, die ihn umgab. Ich wäre nicht weniger beeindruckt gewesen, wenn ich vor dem Präsidenten der Vereinigten Staaten persönlich gestanden hätte.
Ermano kam zu uns. »Du hast ihn beeindruckt.« Mit Ermano wechselte er Blicke, die mir sagten, dass die beiden miteinander sprachen und Giovannis wütender Ausdruck im Gesicht, ließ mich erschaudern.
»Können wir drei kurz reden?«, fragte Ermano jetzt laut.
Wir gingen auf mein Zimmer, um ungestört , und vor allem auch ungehört, miteinander reden zu können. Ermano hielt sich auch nicht lange mit Unzulänglichkeiten auf, sondern kam gleich zum Punkt. Ich saß auf Giovannis Schoß,
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