Silence
Larissa würde mich sicher nicht verraten.
In wenigen Worten erklärte ich Larissa, dass es mir gut ging. Sie solle sich keine Sorgen machen und wir würden uns bald wiedersehen. Letzteres war mit Sicherheit eine Lüge, aber ich hoffte, dass sie sich durch diese Worte etwas beruhigen ließ. Alle grauenvollen D etails ließ ich aus.
Die letzte Nachricht stammte von einer Telefonnummer, die ich nicht kannte. Ich öffnete sie eher aus Pflichtgefühl als aus Interesse. Die meisten Nachrichten dieser Art waren vom Anbieter. Wahrscheinlich irgendein belangloser Hinweis über die Kosten, die auf mich – oder meine Adoptiveltern, stellte ich mit Genugtuung fest – zukommen würden, da ich jetzt in einem anderen Land unterwegs war.
Die Nachricht war von Kate:
Liebe Lisa!
Mach dir keine Sorgen, es geht mir gut.
Es ist einfach wundervoll hier. Du glaubst gar nicht, wie schön Füssen ist und alle sind so nett.
Ich hoffe, du kommst bald.
Kate
Im ersten Moment war ich erleichtert, von ihr zu lesen. Aber dann überkam mich das Gefühl, dass etwas an der Nachricht merkwürdig war. Ich las die Nachricht wieder und wieder, aber was sollte komisch sein an: Mir geht es gut. Und es ist toll hier. Vielleicht störte mich ganz einfach die fremde Nummer. Vielleicht aber auch, dass Kate schrieb, dass es toll war in Füssen. Das passte nicht zu der Kate, die ich kannte. Aber was an der Kate, die ich kannte, war real? Kate – meine Freundin Kate -, die würde nicht so schnell aufgeben und sich integrieren. Sie wäre so wie ich. Sie würde sich sträuben und wehren und mit aller Macht dagegen ankämpfen, dass jemand ihr Leben übernahm.
Meine Gedanken schweiften nach Berlin zurück. Kate besaß ihr Handy seit Jahren. Aber ich konnte mich nicht erinnern, ob auch ihr Telefon damals in Deutschland nicht ging. So sehr ich mich anstrengte, mir viel keine Situation ein, in der sie es benutzt hatte. Wenn es nicht ging, erklärte das zumindest, warum sie eine neue Nummer haben könnte und warum sie sich erst jetzt meldete.
20. Kapitel
Ein Klopfen an der Tür ließ mich zusammenfahren. Schnell schaltete ich das Handy wieder aus und versteckte es zwischen den Sachen in meiner Reisetasche.
»Ja?«, rief ich.
Giovanni öffnete die Tür ein wenig, steckte den Kopf durch den Spalt und lugte herein. »Habe ich dich geweckt, cara mia?«
»Nein, komm rein«, sagte ich und setzte mich auf den Rand des antiken Bettes. »So groß wie ein Irrgarten«, grinste ich.
»Ja, Vinc enzo hat eindeutig Interesse an dir.« Giovanni setzte sich neben mich und zog mich an sich. »Und ich weiß nicht, ob mir das gefällt.«
»Du weiß nicht, ob dir das gefällt?« Ich schluckte schwer.
Giovanni blickte mich ernst an. »Vincenzo macht nie etwas, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Er versucht, aus allem einen Vorteil zu ziehen. Mit Ermano habe ich darüber schon gesprochen, aber er sieht keinen anderen Weg.« Giovanni senkte den Blick auf die weinrote Satinbettwäsche. »Außer die Schule.«
»Du meinst, er würde mich lieber auf die Schule schicken, als das Risiko einzugehen, dass ich die Wandlung nicht überlebe«, murmelte ich.
»Das würde ich auch. Wenn diese Sache hier mit Vincenzo nicht funktioniert, dann ist das die einzige Möglichkeit, die uns bleibt. Wir sollten nicht außer Acht lassen, dass Vincenzo Ermano beauftragt hat, herauszufinden, ob die Gerüchte stimmen, dass in Silence Werwölfe leben. Wenn ich nicht wüsste, dass er sich mit Werwölfen auskennt, und es um dein Leben geht, dann hätte ich das hier nicht zugelassen.« Giovanni zog mich auf seinen Schoß und küsste mich zärtlich auf meinen Mund. Ich legte ihm meine Hände auf das Gesicht und zog ihn näher an meinen Mund heran. Mit meinen Lippen strich ich zärtlich über seine.
Giovanni kam meiner Aufforderung nach. Sein Kuss wurde fordernder. Er klammerte sich an mir fest. Seine Hände strichen über meinen Rücken. Ich seufzte wohlig. Wollte mich bis in alle Ewigkeit – oder bis zu meinem Tod – an ihm festhalten. Es kostete mich einige Mühe, mich von ihm zu lösen. Eigentlich hätte ich ihn am liebsten auf der Stelle verschlungen. Und da er frisch geduscht und sich auch die Zähne geputzt hatte, lag das nicht am Geruch von frischem Blut.
»Aber es gibt keine Garantie, dass ich es in Füssen überlebe«, sagte ich flüsternd an Giovannis Hals. »Wenn ihr mich dorthin schickt, dann …« Ich schnappte nach Luft, weil sich ein schmerzhaftes Band um meine Brust gelegt
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