Silent Control | Thriller
»Danke, du hast mir meinen Bruder zurückgebracht.«
Torben hatte sich vor der Begegnung der beiden Frauen etwas gefürchtet. Nun war alles ganz einfach. Nova hatte es endlich ausgesprochen: Er war ein Bruder für sie, nicht weniger, aber auch nicht mehr.
»Hey, der Anarcho ist wieder da!« Kilian war neben ihnen aufgetaucht. Er klopfte Torben auf die Schulter.
»Dass ich dich mal in einem Basislager von Anonymous sehen würde, ist schon ziemlich abgedreht. Hattest du eine Offenbarung oder so was?«
»Sagen wir mal, ich hatte Nova. Sie hat mir die Augen geöffnet für das, was wirklich läuft.«
Es war wie ein Remis. Torben hatte ihn bestohlen, und Kilian? Er hatte seinen Arsch gerettet. Torben konnte keinen Zorn mehr empfinden. Schließlich hatte er Kilians Verhalten mit seinem Diebstahl provoziert.
»Komm in meine Arme, Mann!«
»Es tut mir leid Torben. Ich hatte keine Ahnung, in was du da reingerutscht bist. Ich denke, wir sollten uns ein paar Tage nehmen und …«
»Vergiss es. Ist schon abgehakt, mein alter Freund! Du hast es ja nicht dabei belassen.« Torben drehte sich um. »Ich will euch noch jemanden vorstellen.«
Er winkte einer schwarzen Limousine zu, die jenseits der eisernen Pforte auf der Straße hielt.
Zwei Männer in schwarzen Anzügen öffneten den Wagenschlag. Ein hagerer langhaariger Typ in schmutzigen Jeans und blauem Shirt stieg aus und steuerte auf Torben zu.
»Darf ich vorstellen? Robert Miles.« Torben machte eine galante Geste. »Er war mein stiller Wächter im Bunker und hat mir tolle Nachrichten gebracht. Peter Norris lebt noch!«
Nova fiel fast die Kinnlade herunter. »Was? Wo ist er? Ich hätte einige Dinge mit ihm zu klären.«
»Es ist alles okay, Nova, er hat mich beschützt, so gut er konnte.«
»Komm, jetzt genießt du erst mal deinen Erfolg!« June zog ihn zur Limousine und bedeutete den drei anderen mitzukommen.
Torben war alles andere als nach feiern zumute. Als sie den Times Square erreichten, war der Platz überfüllt mit Menschen. Sie drängten sich zwischen Cafés, Fast-Food-Restaurants und Souvenirläden und strömten auf den überdimensional großen Screen zu, auf dem üblicherweise Werbespots liefen. Jetzt sah man darauf Szenen der Occupy-Demonstrationen, bejubelt von der Menge. Die Limousine stoppte. Eine gigantische Party schien stattzufinden. Oder eher eine Art Halloween. Überall sah man Leute mit Guy-Fawkes-Masken, die Plakate schwenkten. Fliegende Händler verkauften Getränke und Hotdogs, aus mannshohen Boxen dröhnte rhythmische Musik.
»Was ist denn hier los?«, wunderte sich Torben, der zwischen June und Nova im Fond der Limousine saß.
»Eine Art Familientreffen«, antwortete Nova. »Alle freigelassenen Anonymous kommen heute hierher! Und ihre Anhänger natürlich.«
Robert Miles, der neben dem Fahrer saß, drehte sich zu ihnen um. »Ist euch eigentlich klar, dass gerade ein Erdrutsch stattfindet? Seht auf die Screens.« Auf einem Laufband wurde verkündet, dass vor einer Stunde weltweit Betreiber von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken verhaftet wurden. »Die hingen alle mit drin, Facebook, Google und Konsorten.« »Das war überfällig«, kommentierte Torben die Information. »Die User wurden systematisch bespitzelt, aber das ist erst der Anfang!«
»Wer wüsste das besser als ehemalige Saicom-Mitarbeiter«, bestätigte Kilian. »Jetzt drohen den Managern Anklagen wegen Datenmissbrauchs. Offenbar haben sie die Operation Silent Control unterstützt. Durch eine Spionagesoftware gingen alle Daten direkt zum NSA-Überwachungszentrum in Utah und dann zur weiteren Auswertung zur CIA.«
Auf einem der großen Screens erschien eine Livesendung von CNN.
… Wie der Leiter des Repräsentantenhauses bestätigte, wird das weitere Vorgehen auf UN-Ebene besprochen. In Planung steht offenbar die Gründung einer Kommission, die neue Parameter für den Datenschutz ausarbeiten wird. Damit soll künftig der Zugriff auf private Daten reguliert werden. Am Rande wurde bekannt, dass die Software eines schwedischen Anonymous zum Einsatz kommen könnte, der vom suspendierten CIA-Direktor Roy Clark gefangen gehalten wurde. Sämtliche Regierungen wurden unterdessen mit …«
»Du bist gerade berühmt geworden!« Nova klatschte in die Hände.
Torben hörte das alles andere als gerne. Wenn er jetzt schon zu Anonymous gezählt wurde, wollte er sich an deren Ethos halten und nicht als Einzelkämpfer dastehen. Er war jetzt noch zufriedener, dass er nie Fotos von
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