Silent Control | Thriller
sag es ungern, aber für mich sieht es so aus, als ob wir ohne die Architekten des Programms nicht weiterkommen. Ich würde empfehlen, diese Personen für uns zu gewinnen. Sie könnten sehr nützlich für uns sein. Wenn Sie meine persönliche Meinung wissen wollen: Es ist nicht mal sicher, ob die selber das Programm noch im Griff haben.«
Das war eine niederschmetternde Nachricht. Das bedeutete, selbst für den Fall, man würde die Täter unter Folter zur Mitarbeit zwingen, wäre es nicht sicher, Mindvision starten zu können.
Clark beschloss einzulenken. Offenbar hatte es keinen Sinn, den Leiter des Rechenzentrums weiter unter Druck zu setzen.
»In Ordnung, Miles. Wir versuchen es erst mal auf die sanfte Tour. Aber ich will diese Mistkerle hierhaben, auf die eine oder andere Weise!«
Das Unbehagen in Elistons Gesicht war nicht zu übersehen, auch wenn er kein Wort mehr sagte.
»Schon gut, Eliston«, erklärte Clark in jovialem Tonfall. »Wir werden die Typen nicht gleich an die Wand stellen. Ein bisschen einschüchtern, ein bisschen Psychokasper, das wird reichen, damit sie alles ausspucken. Und sich danach nie wieder auch nur in die Nähe eines Rechners wagen.«
Eliston tauschte einen entsetzten Blick mit Miles. Es hatte sich gerade so angehört, als befände sich Clark wieder im Krieg.
KAPITEL 9
STOCKHOLM
Torben stürzte schon den x-ten Kaffee in sich hinein. Er war um sechs Uhr morgens aufgestanden und hundemüde. Schlaf hatte er in der vergangenen Nacht wieder mal nicht gefunden. Sein Wurm schwebte nun in den Netzwerken umher. Voller Respekt würden weltweit Hacker und Behörden vor den Bildschirmen kleben und die Programmiersprache bewundern. Es wäre, als würde ein unbekanntes Wunderkind aus der Vorstadt gegen Kasparov im Schach gewinnen, und keiner würde verstehen, wie es das angestellt hatte. Es war ein beruhigendes Gefühl, trotz aller Gefahr, der er sich aussetzte. Spygate würde einen Stempel ins Netz setzen, den lange keiner mehr vergessen könnte.
Er sah aus dem Fenster. Draußen schneite es schon wieder. Auf dem Hinterhof lag inzwischen eine dicke Schneeschicht, und am Fenster des Büros hatten sich Eisblumen gebildet. Dennoch überrollte Torben eine Hitzewelle bei dem Gedanken, dass Spygate bald weltweit sichtbar war. Auf privaten Computern. In den Datenbanken von Unternehmen. Und sogar im Rechenzentrum der CIA! Er hatte sich weit vorgewagt und konnte nur hoffen, dass sein Mut ihm nicht zum Verhängnis werden würde.
Gähnend fuhr Torben seinen Rechner hoch. Morgens um zwei hatte er Kontakt zu Anonymous gesucht. Er hatte sie vor den Folgen seines Programms warnen wollen. In einem einschlägigen Blog hatte er geschrieben, dass sie ihre Aktivitäten sofort stoppen müssten – sonst würden sie enttarnt werden.
Während er sich ein Lakritz in den Mund schob, ging er ins Darknet. Ob es wohl schon Reaktionen auf seine Warnung gab? Er klickte den Blog an. O ja, er war voller Kommentare. Anonymous verhöhnten ihn. Lachten ihn aus.
Er erstarrte, als auf seinem Monitor die Drohung seines anonymen Gegners erschien. Er nannte sich »Anonymous23org«. Die Botschaft war schlicht: »Wir erwischen dich!«
Schnell klickte Torben den Kommentar weg und checkte weitere Einträge des Blogs. Nur ein einziger User, ein Commander Zero, hatte positiv reagiert, mit den Worten: »Du bist gut! Aber du begibst dich in große Gefahr. Ich kann dir einen Weg zeigen, dein Talent besser einzusetzen. In zwei Tagen ist ein Hackerkonvent in New York. Komm her und zeig dich!«
Torben konnte kaum glauben, was er da las. Wer auch immer dieser Jemand war, er hatte ihn, genau ihn gemeint. Und er lud ihn zu einem Hackertreffen nach New York ein. Treffpunkt vor dem Restaurant Trinity Place.
Die Sache wurde immer heißer.
Er hatte seine Warnung abgesetzt. Den Rest würde er hier in aller Ruhe aussitzen, hatte Torben sich vorgenommen. Eine Reise nach New York kam nicht infrage. Ja, er wollte hier in seinem Büro ausharren, bis alles vorbei war.
Eines musste er aber auf alle Fälle tun. Alle Spuren verwischen. Torben schloss den Blog und schickte das letzte Datenpaket von Spygate ins Netz. Dann fuhr er alle Rechner herunter und löschte seine gesamten Daten mit einem Magneten. So, das war’s. Jetzt war er unsichtbar.
Er fühlte sich leer, so leer wie schon lange nicht mehr. Das Netz hatte ihm eine Zeit lang neue Hoffnung gegeben. Die Hoffnung, dass freie Informationen eine so gewaltige Wirkung haben könnten wie die ewige
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