Silent Control | Thriller
selbstverständlichen Aura der Macht. Sein dunkelblauer Maßanzug saß perfekt. Er winkte Clark zu.
»Machen Sie nur weiter, Roy.«
Gelassen erwiderte der CIA-Chef die Begrüßung des Ministers. Nur er wusste, dass Bob Rodson der Sitzung beiwohnen würde. Clark setzte zu seinem Vortrag an. Einigen der anwesenden Gäste bereitete diese vertrauliche Geste des Ministers jedoch Unbehagen, da sie unterstrich, dass Clark dessen volle Unterstützung genoss. Selbst erste liberale Kräfte zweifelten an der Strategie des Präsidenten, der nach Ansicht Clarks viel zu lax mit den aktuellen Bedrohungen umging. Immerhin waren es derzeit nicht nur äußere Feinde, die die innere Sicherheit gefährdeten, sondern auch die eigenen Bürger.
Vor wenigen Wochen explodierte die Lage förmlich. Immer mehr Amerikaner stellten kaum erfüllbare Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und einer Regulierung des Marktes. Eine Forderung drang besonders in das Gehör der Eliten: die weltweite Verstaatlichung der Banken und eine Reform des Zinseszinssystems, in dem der Zwang zu immer mehr Wohlstand geradezu krankhaft angelegt war.
Mit ausholender Geste wies Clark auf die Flat Screens.
»Ladys und Gentlemen, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Schreiten wir zur Premiere von Mindvision!«
Die Gäste ließen ihr Besteck sinken und blickten zu den Screens, auf denen ein Clip gestartet war. Er zeigte in rasanter Schnittfolge eine Computeranimation, die zirkulierende Datenströme symbolisierte.
Clark erhob seine Stimme. »Die Daten, die uns die NSA aus Utah übermittelt, werden fortan mit dem Analysezentrum der CIA verknüpft. Aber das ist erst der Beginn der Entwicklung des Projekts Mindvision. Was ich Ihnen heute präsentiere, ist eine sensationelle Erweiterung des Systems. Sie erlaubt uns, in Echtzeit Dossiers über jede beliebige Person anzufertigen. Wer auch immer sich im Netz bewegt, seine Kreditkarte benutzt oder Fotos austauscht, wird erfasst. So erhalten wir zuverlässige Profile über jeden einzelnen User. Das betrifft die Vergangenheit, die Gegenwart – und auch die Zukunft!«
»Die Zukunft?«, fragte ein dürrer, ergrauter Beamter des Pentagons.
Clark schaute ihn tadelnd an, als hätte der Mann einen unverzeihlichen Affront begangen, obwohl er genau mit dieser Frage gerechnet hatte.
Es war völlig egal, wen er sich jetzt herauspicken würde, es würde eine Machtdemonstration sein, die ganz in seinem Sinn verlaufen würde.
»Mit Unterstützung der besten Sozialpsychologen des Londoner Tavistock Institute werden wir Mindvision in den nächsten Wochen fertigstellen. Es wird zusätzlich mit neurobiologisch ermittelten Persönlichkeitsmerkmalen gefüttert. Genau dafür brauchen wir noch die Rechenpower der NSA. Wir sprechen hier von einer Billiarde Operationen pro Sekunde.«
Mit Genugtuung beobachtete Clark die ungläubigen Mienen seiner Gäste. Auf diesen dummen Ausdruck in euren Gesichtern hab ich mich schon den ganzen Tag gefreut, dachte er. Sogar der Verteidigungsminister schien tief beeindruckt zu sein.
Selbstzufrieden setzte Clark seine Rede fort.
»Die Zusammenarbeit von NSA und CIA beschert uns in technischer Hinsicht ungeahnte Synergien. Also vergessen Sie für einen Augenblick das übliche Kompetenzgerangel.«
Er deutete auf die Flat Screens, auf denen sich Zahlenreihen aufbauten, und fixierte einen Mitarbeiter des Verteidigungsministers.
»Was ist unser Ziel?«
Der Angesprochene zuckte die Achseln.
»Ich sage es Ihnen. Mit Mindvision können wir in Sekunden das Verhalten eines Menschen, seine politischen Einstellungen, seine Konsum- und Lebensgewohnheiten ermitteln. Und wir können sein zukünftiges Verhalten mit einer Treffsicherheit von über neunzig Prozent prognostizieren! Na, was sagen Sie nun?«
Niemand reagierte. Das alles klang bei Weitem zu vollmundig, um wahr zu sein. Einige Gäste tauschten skeptische Blicke.
Jetzt brauchte der CIA-Chef ein Opfer, an dem er das Wunderwerk Mindvision demonstrieren konnte. Er sah sich um. Seine Wahl fiel auf den Abteilungsleiter für Computerkriminalität im Pentagon, Henry Milton. Er galt als schwacher, farbloser Mann ohne Fortune, den man schon bald auswechseln würde. Einer, der Clark nicht mehr gefährlich werden konnte.
»Mr. Milton, dürfte ich Sie zu einem kleinen Experiment einladen?«
Der Beamte nickte. Widerspruch hatte Clark auch nicht erwartet. Seine Tonlage wurde härter, wie bei einem Verhör. »Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie eine Tochter,
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