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Silentium

Silentium

Titel: Silentium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Geheiminformationen. Weil da fragt man bei den Hausvermietern ein bißchen herum, welche Creme verwendet diese Gattin, welches Rasierwasser der Herr Chef persönlich, da kommen im Lauf der Jahre Informationen zusammen, vielleicht ein bißchen das Telefon abhören, aber muß gar nicht sein.
    Und oft einmal sind der Festspielpräsident und sein Vize persönlich gegangen und haben ein bißchen in den Mülltonnen gestochert, weil da kann man ja viel über die Vorlieben der Menschen erkennen, wenn man schaut, was wirft der weg, dann nimmst du die Hautcremeverpackung heraus, und schon wieder eine wertvolle Eintragung in der Adressenliste, nächstes Jahr wundert die Gattin sich, daß sie genau ihre richtige Creme kriegt, und dann sagt sie ihrem Schatz ins Hörrohr, weißt du was, nächstes Jahr fahren wir doch wieder nach Salzburg und nicht nach Baden-Baden, weil Österreicher immer nett, und die schicken genau die richtige Hautcreme, und er nickt, was willst du auch groß mitreden, wenn du dreißig, vierzig Jahre älter bist, da braucht dir das Mädchen gar keine Handschellen mehr anlegen, mußt du so oder so gehorchen.
    Und das ist eben doch die Belohnung für eine große Karriere, Konzernherr oder politischer Führer, weil bekannte Tatsache, wer gern befiehlt, gehorcht auch gern, und da muß der ehemalige Weltenherrscher Jahr für Jahr nach Salzburg pilgern, nur weil sein Mädchen so gern Probepackungen sammelt.
    Jetzt natürlich Katastrophe, daß jemand die Adressenliste im Computer kopiert und sie ausgerechnet an das neureiche deutsche Festival in Baden-Baden verkauft hat, sprich Hochverrat.
    «Er hat es zwar bis zuletzt bestritten», hat die Tochter vom Festspielvize nachdenklich den Kopf geschüttelt, «aber ich glaube auch, daß er es gewesen ist. Er hat ja im Haus meines Vaters leicht Zugang zu den Adressen gehabt. Und so eine Aktion war typisch für ihn. Wissen Sie, darum hab ich vorher losgeheult. Er hat so ein lustiger Mensch sein können, daran hat mich diese Blödheit mit dem Alles für den Hugo erinnert. Das hab ich an ihm geliebt. Aber dann hat er wieder so einen Wahnsinn gemacht wie das mit den Adressen. Er war einfach –»
    Dem Brenner ist vorgekommen, als hätte sie der Schlag getroffen, so hat sie eine Ewigkeit lang vor sich hin gestarrt. Aber sie hat nur nach dem richtigen Wort gesucht.
    «– beschädigt.»
    «Beschädigt», hat der Brenner wiederholt. So wie sie das gesagt hat, hat man gleich alles gewußt. Sie hätte es gar nicht mehr erzählen müssen. Daß ihre Ehe im Grunde genommen gar nie eine richtige Ehe war. Weil ihr Mann so beschädigt war. Daß sie ihn schließlich zum Dr. Prader geschickt hat.
    «Der Dr. Prader hat zwar keine Lizenz mehr. Seit damals seine Patientin gleich nach der Therapiesitzung vom Berg gehüpft ist. Aber er war Gottliebs einziger Freund, und zu einem anderen Therapeuten wäre mein Mann sowieso nicht gegangen. Wer weiß, ob er sich bei einem richtigen Therapeuten überhaupt jemals erinnert hätte.»
    «An den Hygieneunterricht im Marianum», hat der Brenner gesagt.
    «Hygieneunterricht», hat die Witwe gelächelt. Aber jetzt ganz ein fremdes Lächeln. «Als Kind habe ich immer Hygiene und Hyäne verwechselt.» Ungefähr so ein Lächeln, wie manche Leichen mit dem Gesicht noch lächeln, während ihre anderen Körperteile schon von den Hyänen verspeist werden.
    «Und haben ihm die Erinnerungen geholfen?»
    «Im Gegenteil, er ist immer manischer geworden. Er hat ja im bischöflichen Archiv als Restaurateur gearbeitet. Aber zuletzt, als bekannt wurde, daß der Schorn Bischof werden soll, hat er nur noch nach irgendwelchen Beweisen gesucht.»
    «Und was hat er gefunden?»
    «Mein Mann hat eine Karteikarte der katholischen Heiratsagentur Dr. Phil. Guth gefunden, auf der ein Name verzeichnet war, den er kannte. Ein Küchenmädchen aus dem Marianum, das während seiner Schulzeit über Nacht aus dem Marianum verschwunden ist.»
    «Offenbar hat sie geheiratet.»
    «Laut Karteikarte war sie damals erst fünfzehn Jahre alt. Außerdem hat es nur einen einzigen Eintrag auf der Karte gegeben: Petting.»
    «Petting!» hat der Brenner ausgerufen. «Dieses Wort hab ich ja schon seit dreißig Jahren nicht mehr gehört. Petting und Party, wissen Sie, wo ich diese zwei Wörter gelernt habe?»
    «In der
Bravo.»
    «Genau. Und das machen die Leute heutzutage immer noch?»
    «Der Eintrag ist ja von damals. Aber zumindest Party machen die Leute heute immer noch. Wir geben zum Beispiel morgen

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