Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silentium

Silentium

Titel: Silentium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
Stock gehabt und aus.
    Und Lift hat das Haus natürlich auch keinen gehabt, weil Denkmalschutz, da hat der Papst gesagt, wir können den Leuten nicht alles verbieten, den Empfängnisschutz oder meinetwegen AIDS-Schutz verbieten wir ihnen, aber da muß man diplomatisch sein, und Denkmalschutz lassen wir ihnen wieder. Jetzt alte Geschichte, wenn dir nicht viel erlaubt ist, freust du dich über das wenige um so mehr, jetzt haben die Denkmäler in Salzburg nur so geglüht vor lauter Schutz.
    Im dritten Stock, direkt an der Eingangstür zum Büro Dr. Phil. Guth, ist wieder die polierte Messingtafel gehängt, aber auf der Tafel ist dann ein winzig kleiner gelber Zettel geklebt mit der handschriftlichen Mitteilung: «Bitte läuten!»
    «Jaja, nur mit der Ruhe», hat der Brenner geschnauft und zuerst einmal gewartet, bis er nicht mehr so außer Atem war. Das ewige Läuten in dieser Stadt hat ihn schon richtig ein bißchen aggressiv gemacht. Die ewige Internatsklingel, die Festspielhausklingel, die zehntausend verschiedenen Kirchenglocken, das war ein dauerndes Dingeling zum Aus-der-Haut-Fahren. Weil wenn du auf so etwas einmal achtest, dann fällt es dir auf Schritt und Tritt auf.
    Aber dann gleich zwei positive Überraschungen. Die Klingel ein sehr dezentes Dingdong, und zwar genau das gleiche Dingdong, wo der Brenner einmal vor Jahren eine Bekanntschaft gehabt hat. Eine ausgesprochen nette Sekretärin, ist aber leider nicht lange gegangen, ich glaube, gescheitert ist es letztlich daran, daß ihr Hund so wahnsinnig eifersüchtig war.
    Aber trotz Dingdong hat der Brenner sich jetzt keinen falschen Hoffnungen hingegeben. Wie er drinnen Schritte gehört hat, sofort Bild vor Augen, daß ihm eine Art Fräulein Schuh aufmachen wird. Lodenkostüm, Brille, Haare zurückgefesselt, daß die Wurzeln jaulen, und eine weiße Bluse, so steif, daß du damit ein Kalb erschlagen kannst.
    Und dann natürlich, heiliger Strohsack! Mein lieber Schwan! Die zweite positive Überraschung nach der dezenten Klingel war überhaupt nicht dezent. Laß es mich so ausdrücken. Wenn da wo ein Kalb erschlagen worden ist, dann war der Brenner das Kalb. Und es war nicht die weiße Bluse, die ihn erschlagen hat. Sondern, wie soll ich sagen. Der Inhalt.
    «Guten Morgen», hat der Brenner gesagt, laut und deutlich, und er hat sich nicht davon einschüchtern lassen, daß seine Stimme in den weiten Gängen so ein gewaltiges Echo gehabt hat. «Ich würde Sie gern heiraten.»
    Das hat alles nur noch schlimmer gemacht. Weil jetzt hat sie auch noch sauer den Mund verzogen. Und ein normaler Mensch wird durch ein Lächeln schöner, und durch saures Mundverziehen wird er häßlich. Aber dann gibt es diese Menschen, zwei oder drei auf der ganzen Welt, ganz genau weiß man es nicht, so wie man nie ganz genau weiß, wie viele Menschen über hundertvierzig Jahre alt sind. Die sind so schön, daß sie vom Mundverziehen nur noch schöner werden.
    «Es ist dreizehn Uhr», hat sie geantwortet. Das hat alles nur noch schlimmer gemacht. Unglaublich, was so eine Feststellung bei einem Mann anrichten kann. Oder sagen wir einmal so. Es war weniger die Feststellung, und es war mehr die Stimme.
    Du darfst nicht vergessen, daß der Großvater vom Brenner Schreiner gewesen ist. Der hat mehr als zwanzig Sorten Schleifpapier in der Werkstatt gehabt. Das gröbste Schleifpapier, das war fast kein Papier mehr, das waren schon die reinsten Glasscherben, und dann das ein bißchen weniger grobe und dann das sehr grobe und das mittelgrobe und das mittelfeine und das ein bißchen feinere und das schon ziemlich feine und das ganz feine. Und dann hat es ein Schleifpapier gegeben, das war so fein, daß es im Grunde genommen schon ein ganz glattes Papier war, da hat man die Vorderseite und die Rückseite praktisch nicht mehr unterscheiden können. Und ob du es glaubst oder nicht, an diesem Schleifpapier hat man sich am leichtesten verletzt.
    Als Kind hat der Brenner dieses Schleifpapier oft in die Hand genommen und stundenlang darübergestrichen, das war so ein ärgerliches Gefühl, wo ist jetzt die glatte und wo die rauhe Seite, und der Brenner hätte die Eheberaterin mit dem verzogenen Mund gern gefragt, ob sie sich ihre Stimmbänder aus diesem Schleifpapier machen hat lassen.
    «Sperren Sie um eins schon zu?» hat er statt dessen gefragt, weil natürlich, man soll nicht aufdringlich sein.
    Sie hat den Kopf geschüttelt. Das hat alles nur noch schlimmer gemacht. Das mußt du dir vorstellen wie bei

Weitere Kostenlose Bücher