Silentium
einem Waldbrand, zuerst brennt nur der Wald, und ein Hauch von einem Wind, und schon steht der ganze Erdteil in Flammen. So ist ihr beim Kopfschütteln die rote Mähne über die Schulter geschwommen, ich muß ganz ehrlich sagen, manchmal ist man als Mann schon im Vorteil, wenn man blind und taub ist.
«Nein», hat das Schleifpapier geraschelt, «aber man sagt nicht mehr guten Morgen um dreizehn Uhr.»
«Ah», hat der Brenner gesagt. Eigentlich hätte er ihr gern erklärt, daß ihre Schlafaugen schuld daran waren. Und ich muß auch sagen, sie hat ihre Augenlider so verschlafen gehoben, daß man Angst gekriegt hat, es wird schon wieder Abend, bevor sie mit dem morgendlichen Augenaufschlagen fertig ist.
«Ah», hat der Brenner gesagt. Das hat fast ein bißchen geklungen, als hätte ihm eine sechzigjährige Kampfgouvernante hinterrücks mit ihrer steifen Bluse eine über den Schädel gezogen. «Wegen dem guten Morgen schütteln Sie den Kopf. Und ich hab schon gefürchtet, Sie wollen mich nicht heiraten.»
«Wenn Sie heiraten möchten, sind Sie bei uns im Prinzip schon richtig. Kommen Sie doch einmal herein.»
Drinnen dann der Brenner natürlich sofort auf verlorenem Posten. Ich weiß nicht, das ist eine eigene Atmosphäre in solchen Büros, von der ganzen dings her, Möbel, Bilder, ich weiß nicht, was es ist, ich weiß nur, daß du binnen Sekunden nicht mehr weißt, ob du Mann oder Frau bist.
Dann natürlich sofort Fragebogen, Name, Alter, Beruf, Familienstand, Religion, alles.
«Herr Irrsiegler», hat der Waldbrand nach dem eingehenden Studium des frisch ausgefüllten Fragebogens stirnrunzelnd gesagt, «Sie sind also Schreiner.»
Der Brenner hat genickt.
«Interessant. Selbständig oder angestellt?»
«Selbständig.»
«Interessant. Ein seltener Beruf.»
«Ja, im Aussterben. Aber unser Herr Jesus war auch Schreiner.»
«Zimmermann.»
«Das ist so ähnlich. Nur, der Schreiner verwendet das feinere Schmirgelpapier.»
«Interessant. Und Sie waren noch nie verheiratet?»
«Nein. Einmal verlobt, aber nur zwei Wochen.»
«Interessant.»
Das war das erste, was sie nicht mitgeschrieben hat, und dabei war es das einzig Wahre, was ihr der Brenner bisher erzählt hat. Aber so ist es oft, wenn man mit dem Lügen gut in Fahrt ist, daß die wahren Einsprengsel auf einmal unglaubwürdig klingen.
«Wie sind Sie auf unser Institut gekommen?»
«Ich bin sehr schüchtern.»
«Interessant», hat der Waldbrand gesagt, ohne vom Notizzettel aufzublicken.
«Und in meinem Alter wird es Zeit. Aber ich möchte eine katholische Familie gründen. Und heutzutage ist es sehr schwer, noch eine brave Frau zu finden, die das auch will.»
«Interessant», hat der Waldbrand gesagt.
Der Brenner hat zugeschaut, wie sie umständlich ihre Notizen beendet und schließlich im Schreibtisch verstaut hat. «Können Sie um siebzehn Uhr kommen?» hat sie gefragt. Und wie sie das Zögern vom Brenner bemerkt hat: «Oder müssen Sie da schreinern?»
«Ich habe geglaubt, ich krieg vielleicht einen Katalog. Wo ich nachschauen kann, ob was Passendes dabei ist.»
Wirklich unglaublich, daß man solche Lippen so schmal machen kann. Wie er «Katalog» gesagt hat, ist ihr Mund einfach verschwunden. Fräulein Schuh nichts dagegen. Der Mund muß aber noch irgendwo gewesen sein, weil gesprochen hat er noch: «Und ich dachte, Sie suchen ein seriöses Institut.»
«Aber was können Sie mir am Abend sagen, was Sie mir nicht auch jetzt sagen können?»
Sie ist aufgestanden und hat dem Herrn Irrsiegler die Tür aufgemacht: «Beratungsgespräche führt nur unser Herr Direktor persönlich. Und er kommt erst um siebzehn Uhr, weil er bis dahin Verpflichtungen hat.»
«Der Doktor Guth persönlich?»
«Der Herr Doktor Guth ist bereits verstorben.»
«Um siebzehn Uhr auch noch?»
«Das Institut wird schon seit Jahren vom Herrn Präfekt Fitz geleitet.»
«Interessant», hat der Brenner zum Abschied gesagt.
Mehr ist ihm auch noch nicht eingefallen, wie er schon wieder in der sengenden Hitze auf dem Kapitelplatz gestanden ist. Weil natürlich große Frage, was er jetzt machen soll. Der Sportpräfekt Fitz hätte schön geschaut, wenn er um fünf bei ihm unter falschem Namen aufgetaucht wäre.
Jetzt ist der Brenner in der Mittagshitze wieder einmal die Festspielstiege hinauf, weil Hoffnung, daß der Gottlieb vielleicht dem Dr. Prader etwas über das Küchenmädchen erzählt hat, das vor achtundzwanzig Jahren vor lauter Petting über Nacht aus dem Marianum
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