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Silentium

Silentium

Titel: Silentium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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getan.
    «Die hab ich mir beim Hinausgehen verkehrt aufgesetzt, mit dem Schild hinten. Jetzt haben die Wärter geglaubt, daß ich hineingehe statt hinaus.»
    Der Brenner hat sich nicht gerade auf die Zunge beißen müssen, damit er über diese Blödheit nicht lacht. «Schild hinten, das ist ja heute sowieso Mode.»
    «Eben. Darum haben sie mich erwischt.»
    «Und dafür kriegt man heute zwei Jahre? Nur weil man gegen die Mode verstößt?»
    Der Dr. Prader hat sich stirnrunzelnd eingemischt: «Die Tochter vom Gefängnisdirektor hättest du vielleicht nicht mitnehmen sollen bei deinem Spaziergang. Dann hättest du nicht zwei Jahre dafür absitzen müssen.»
    «Ach die», hat der René abgewunken. «Die hat doch mich entführt. Bin vielleicht ich auf die Idee gekommen, daß sie ihr scheiß Schulreferat über jugendliche Straftäter schreiben soll?»
    Während der René das gesagt hat, hat der Brenner einen strengen Blick vom Dr. Prader geerntet. Weil natürlich, als Bewährungshelfer mußt du immer aufpassen, daß dein Schützling nicht noch Applaus für sein Verbrechen bekommt.
    «Mit der häßlichen Tochter vom Gefängnisdirektor bist du durchgebrannt?» hat der Brenner gefragt, quasi damit man meine heimliche Bewunderung nicht merkt: häßlich!
    «Sie ist mit mir durchgebrannt!»
    Jetzt der Dr. Prader wieder seinen ernsten Marathonläuferblick: «Leider war sie erst dreizehn Jahre alt.»
    «Sie war vierzehn und ich siebzehn.»
    «Sie war eben gerade noch nicht vierzehn», hat der Dr. Prader kleinlich vorgerechnet. «Das macht leider vor dem Gesetz einen Riesenunterschied.»
    «Aber sie hat ausgesehen wie vierzehn, und sie hat gesagt, sie ist vierzehn, und sie –»
    «Jaja. Und du warst schon über achtzehn, und statt nach dem zweistündigen Ausflug mit ihr ins Jugendgefängnis zurückzukehren, bist du eine Woche lang mit ihr in einem Schrebergartenhaus verschwunden.»
    «Ich tu’s eh nicht mehr.»
    «Haben ihr deine Muskeln so imponiert?»
    «Nichts Muskeln!» hat der René mit der Hand auf den Brenner gedeutet, mit der er sich sonst die Sonne aus den Augen gehalten hat. «Ich war damals dünner als das Mädchen. Die war nämlich ein bißchen pummelig. Darum hat sie ja älter gewirkt. Ich hab erst dann mit dem Training angefangen. Damit ich die zwei Jahre irgendwie –»
    «– herunterbiege», hat der Brenner gebrummt.
    «Genau!» Der René hat seinen Bizeps ein bißchen angespannt, daß das Mariechen Schaumburg nur so pulsiert hat.
    «War sie das?» hat der Brenner auf die Tätowierung gedeutet.
    «Sicher. Das hat ihrem Vater nicht geschmeckt, daß er das zwei Jahre lang lesen hat müssen.»
    Der Brenner hat sich gut vorstellen können, daß der René die Wahrheit gesagt hat über den Ausflug mit der referatschreibenden Tochter vom Gefängnisdirektor. Daß womöglich sie ihn entführt hat. Weil der René hat ein bißchen so ausgesehen, wie es heute anscheinend modern ist. Keine Haare auf dem Kopf, aber dafür so ein Bärtchen, fast wie der Botschafter, aber nur ganz dünn. Was soll ich sagen, heute gefällt das den jungen Leuten eben wieder, weil sie den James Last schon gar nicht mehr gekannt haben. Und seine blauen Augen und sein frech grinsender Mund werden ihr auch zugesagt haben.
    Ich sage, wenn du heute als behütete Tagebuch-Gymnasiastin mit einem echten Gefängnisbruder zusammenkommst, kann es schon einmal vorkommen, daß die Hormone ein bißchen Granada spielen.
    «Wie auch immer», hat der Dr. Prader versucht, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben. Weil leider unübersehbar, daß der freche Kerl mit seinem sonnigen Wesen sogar den Brenner ein bißchen um den Finger gewickelt hat. «Vielleicht könnten Sie sich sogar einmal im Marianum umhören», hat er sich an den Brenner gewandt, «ob sie einen tüchtigen Arbeiter brauchen können.»
    «Da sind ja jetzt gerade Ferien», hat der Brenner gesagt, obwohl er genau gewußt hat, daß die Handwerker dort gerade in den Ferien auf Hochtouren gearbeitet haben. «Die haben sogar die Philippinen-Mädchen von der Putztruppe über den Sommer heimgeschickt.» Das hat der Brenner aber nur so betont, weil er seine eigenen Pläne mit dem René gehabt hat. «Ich kenne zufällig das Fräulein Schuh im Festspielhaus. Die stellt die Saaldiener und Bühnenarbeiter ein.»
    «Das wäre wunderbar», hat der Bewährungshelfer für seine Verhältnisse richtig begeistert ausgerufen.
    Ein bißchen unbehaglich war es dem Brenner schon, daß er dem sympathischen Mann so kalt ins

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