Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silentium

Silentium

Titel: Silentium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
Menschen aber nicht kränken, weil eventuell später ein bißchen Geschlechtsverkehr, deshalb ein leichtes Lächeln, das zu möglichst vielen Themen paßt, von Erfolgsgeschichte bis zu, sagen wir, tragischem Todesfall.
    Auf einmal ist es still geworden, und ein großer, schlanker Mann, dem der schwarze Haarkranz rund um seine Glatze ein bißchen weggestanden ist wie Hörner, hat eine sehr schöne Rede gehalten, und dann war das Büffet eröffnet.
    Leider nicht ganz nach dem Geschmack vom Brenner. Die japanischen Röllchen, weißt du, innen Reis und obendrauf roher Fisch. Und vielleicht war auch das der Grund, daß dem Brenner sein Lehrer in China eingefallen ist, weil China-Japan ist für ihn immer ein bißchen dasselbe gewesen.
    In der Mitte sind zwei japanische Köche gestanden und haben stillschweigend ihre Röllchen gemacht, und die Leute haben sich die Röllchen genommen, denen hat das geschmeckt, und gesund soll es auch sein und macht nicht dick, aber dem Brenner hat vor dem rohen Fisch geekelt. Er hat mit Sehnsucht an die gute Hausmannskost im Professorenspeisesaal vom Marianum gedacht, da hat es gegeben: einmal faschierte Laibchen, dann wieder ein gekochtes Rindfleisch, oder einmal einen panierten Leberkäse, Spitzname fette Sau, solche Sachen, sicher nicht immer das Allergesündeste, vom Cholesterin her betrachtet, aber der Brenner eben in dieser Hinsicht noch alte Schule.
    «Wie schmeckt’s?» ist er von einem jungen, sehr eleganten Mann gefragt worden. Entweder Tenorsänger oder Hamlet-Darsteller, hätte der Brenner getippt, wenn er ihn nicht im letzten Augenblick doch noch an seinem halben Schneidezahn erkannt hätte.
    «Was suchst du denn da, René?»
    «Sie such ich.»
    Jetzt in Wahrheit hat ihn der Dr. Prader mitgenommen, weil immer ein paar Freikarten für die sozial Schwachen auf der Party. Den Dr. Prader selber hat der Brenner ihn aber erst später entdeckt, wie er angeregt mit dem Sportpräfekt Fitz geplaudert hat.
    «Mich suchst du?»
    «Ich hab Ihr Küchenmädchen gefunden.»
    «Wo?» hat der Brenner mit vollem Mund gefragt, weil er hat es nicht geschafft, den rohen Fisch abzubeißen, jetzt hinein mit dem ganzen Röllchen.
    «Im Karteikasten.»
    «Und wo hast du den Karteikasten gefunden?»
    «Fragen Sie mich das nicht. Ich bin ja nur auf Bewährung entlassen.» Aber nachdem er ein Röllchen verdrückt hat, hat der René doch damit angeben müssen: «Der Waldbrand hängt die Büroschlüssel immer daheim neben die Haustür. Da hab ich sie mir am Abend kurz ausgeborgt.»
    «Woher weißt du, daß es mein Küchenmädchen ist, von dem du redest?» hat der Brenner möglichst unbeeindruckt getan.
    «Es gibt nur ein einziges Kärtchen mit der Eintragung Petting. Ich hab lang genug danach gesucht. Und das Jahr stimmt auch. 1973. Damals müßte der Gottlieb im Marianum gewesen sein.»
    «Und was steht sonst noch drauf?»
    «Nichts. Nur: Mary Ogusake. Und: Petting 69.»
    «Scheiße.» Dem Brenner ist das Reisröllchen genau in dem Moment hinuntergefallen, wie er es mit den Stäbchen schon fast bis zum Mund geschafft gehabt hat. «Ogusake? Und ich hab immer geglaubt, es geht um irgendeines von diesen halbdebilen Inzuchtgeschöpfen aus dem Gebirge, die sie im Marianum als billige Küchenkräfte beschäftigen.»
    «Ogusake», hat der René den Kopf geschüttelt. «Klingt nicht nach einem Salzburger Bergbauern. Und die anderen Namen in der Kartei haben auch nicht besonders einheimisch geklungen. Nur Wang und Wong und Li und weiß der Geier.»
    «Sie können also auch nicht umgehen mit dem Japaner-Fressen», hat dem Brenner in dem Moment jemand von hinten auf die Schulter gedroschen. Und wie er sich umdreht, steht der Vizepräsident persönlich vor ihm. Sein moderner Trachtenanzug hat ein bißchen ausgesehen wie die Phantasieuniformen bei den südamerikanischen Generälen, nur daß der Vize nicht halb so stramm gestanden ist. Weil der Schwiegervater vom Gottlieb mehr breit als hoch, und bei jedem Wort, das er gesagt hat, haben seine Wangen gebebt, als würde er gerade mit einem Preßluftbohrer den Asphalt aufbohren. Und ich muß auch sagen, kein Wunder, daß sich so ein Mann Enkel wünscht, weil die hätten an seinen Genickwülsten spielend lernen können, wie man bis zehn zählt.
    Zuerst hat der Brenner sich ein bißchen ertappt gefühlt, aber sie haben sich dann eine Zeitlang über Essen unterhalten, und ob du es glaubst oder nicht, der Brenner und der Präsident genau den gleichen Geschmack, mehr für das

Weitere Kostenlose Bücher