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Silentium

Silentium

Titel: Silentium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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natürlich ganz schlecht, darum hat er es dann auch gleich wieder aufgegeben. Der Druck im Kopf vom Brenner ist jetzt so gestiegen, daß er Zustände gekriegt hat. Das ist ein Gefühl, wie wenn du atmen möchtest, aber im Atemluftgeschäft sagt die Verkäuferin, Luft ist heute leider aus, aber Watte hätten wir noch.
    Jetzt wichtig für alle Wetterfühligen. Der Föhn an und für sich ist nicht das schlimmste. Das schlimmste sind die Stunden, bevor der Föhn zusammenbricht. Weil du darfst eines nicht vergessen. Was ist der Föhn schon anderes als ein warmer Fallwind? Und was tut der Föhn? Er wehrt sich gegen den Regen. Und was will der Regen? Ebenfalls fallen! Rundherum fällt schon der Regen, aber in Salzburg fällt noch der warme Fallwind.
    Wenn natürlich jetzt der Regen langsam näher kommt, und der Föhn wehrt sich noch mit aller Kraft, gerätst du zwischen den beiden Streitparteien leicht in eine ungemütliche Situation. Das mußt du dir ungefähr so vorstellen wie in einem Bierzelt, wo zwei Besoffene aufeinander losgehen, und du sitzt dazwischen und kriegst ihre Bierkrüge auf den Kopf.
    Darum ist der Brenner so belämmert am Salzachufer gestanden und hat ein bißchen das Gefühl gehabt, als wäre die Welt stehengeblieben.
    Aber interessante optische Täuschung: Oft glaubt man, daß die Welt stehenbleibt, wenn sie in Wirklichkeit einen Ruck macht. Wie wäre es sonst möglich, daß der Brenner zwar eine Ewigkeit für den Heimweg ins Marianum gebraucht hat, aber im nächsten Moment schon wieder in Petting aus dem Taxi gestiegen ist?
    Und das Schädelweh war auch komplett weggefegt. Und ein Wolkenbruch ist heruntergesaust, daß der Taxifahrer ihn gefragt hat, ob er wirklich sofort aussteigen will. Aber da hat der Brenner die Taxitür schon längst hinter sich zugeknallt gehabt.
    «Dr. Ogusake» ist auf dem kleinen Schild neben dem Gartentor gestanden. Genau wie es ihm am Telefon beschrieben worden ist. Weil wie der Brenner endlich im Marianum angekommen ist, hat der kriegsinvalide Portier ihm einen Zettel mit einer Telefonnummer in die Hand gedrückt. Vorwahl Deutschland, Vorwahl Petting, Rufnummer. Der Brenner hat es gleich vom Portier aus probiert. Aber nicht daß du glaubst, die Philippinin Mary Ogusake hat abgehoben.
    Der René hat abgehoben. Der hat dem Brenner fröhlich gemeldet, daß er schon seit zwei Tagen bei der Philippinin wohnt, und der Brenner soll sofort kommen, weil aufregende Neuigkeiten, und was auf den geklauten Festspiel-Disketten außer den Geburtstagen und Hautcremen noch alles für Informationen verzeichnet waren, das glaubst du nicht. Der Brenner hat sich irgendwie gefreut, daß der René ihn auf einmal geduzt hat, praktisch Vertrauensbeweis. Aber er hat sich geärgert, daß er sich gar so wichtig machen hat müssen, quasi kein weiteres Wort am Telefon, weil Lebensgefahr.
    «Petting 69», hat der René gesagt. «An der Klingel steht Dr. Ogusake. Wie die zu ihrem Doktortitel gekommen ist, das errätst du nie.»
    Jetzt das Gartentor war da, das Schild war da, die Klingel war auch da, nur der René war nicht da. Und sonst war auch kein Mensch da. Natürlich lästig, wenn es in Strömen gießt. Aber der Brenner jetzt gut aufgelegt, weil endlich das Kopfweh weg war, und obwohl er ohne Schirm im Regen gestanden ist, hat er sogar ein bißchen vor sich hin gepfiffen. Vielleicht daß ihn der Regenguß an das Duschen erinnert hat, wo der Mensch im allgemeinen gern pfeift.
    Er hat noch ein paarmal geklingelt, man hat es sogar bis zum Gartentor heraus läuten gehört. Aber nichts da, entweder ist der René noch schnell einkaufen gegangen, damit er seinem Gast was auftischen kann, oder natürlich – bei diesem Gedanken hat der Brenner sich so lange auf den Klingelknopf gelehnt, daß man glauben hätte können, der tut nichts lieber als klingeln. Weil Verdacht: Der René liegt mit der Dr. Mary Ogusake im Bett.
    Aber keine Reaktion, und damit er nicht komplett durchnäßt wird, hat er über das Gartentor gegriffen, den Schlüssel umgedreht und sich direkt vor die Eingangstür gestellt, wo ihn ein kleines Vordach vor dem Regen geschützt hat. Er hat an die kleine Fensterscheibe in der Haustür geklopft, aber natürlich, warum sollen sie das Klopfen hören, wenn sie das Klingeln nicht hören.
    Dann hat er sich mit dem Rücken an die Haustür gepreßt, so ist er überhaupt kein bißchen naß geworden. Natürlich gefährliche Haltung, wenn von innen wer die Haustür aufmacht, liegst du im Vorhaus. Aber

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