Silentium
sagen.»
«Ich weiß, was auf den Disketten drauf war. Geburtstage und Probepackungen.»
Und jetzt ein Gelächter vom Fräulein Schuh in der menschenleeren Felsenreitschule, da hätte man glauben können, alle Opernsängerinnen, die in den letzten fünfzig Jahren hier ihr affektiertes Bühnengelächter abgelassen haben, lachen auf einmal aus dem Fräulein heraus.
Und der Anblick auch ein bißchen theatralisch. Der blaue Himmel, die Felsarkaden, der Bretterboden und das Fräulein Schuh, das in seiner im Sonnenlicht blitzenden Waffenscheinbluse auf der Bühne neben dem Leichnam ihrer Mitarbeiterin gestanden ist und gesungen hat, daß es nur so eine Freude war.
Sie hat gesungen, was auf der Adressenkartei, die der Gottlieb seinem Schwiegervater gestohlen hat, sonst noch drauf war. Außer Geburtstagen und Hautcremen. Sie hat gesungen, daß heute kein internationaler Veranstalter mehr ohne diese Serviceleistungen auskommt. Sie hat gesungen, daß man nur an das zahlungskräftige Publikum herankommt, wenn man die besten Stars hat. Daß man mit Geld aber keinen echten Weltstar mehr hinter dem Ofen hervorlocken kann. Weil natürlich. Das Geld bietet ihm die Konkurrenz in Baden-Baden genauso.
Darum ist es gut, wenn man etwas über seine heimlichen Leidenschaften weiß. Weil der Star sagt sich, ich gehe am liebsten dorthin, wo ich auch für meine heimliche Leidenschaft etwas bekomme. Und darum sind diese Aufzeichnungen, die der Schwiegersohn dem Festspielvize gestohlen hat, eben so viel wert gewesen.
Jetzt heimliche Leidenschaften. Was gehört da dazu? Das Fräulein Schuh hat sich in einem Tempo selber Fragen gestellt und sie gleich beantwortet, daß kein Begleitorchester der Welt mitgekommen wäre. Heimliche Leidenschaften, hat sie gesungen, das ist natürlich von Mensch zu Mensch ganz verschieden. Der eine ißt gern, für den mußt du unbedingt jeden Morgen zum Frühstück den besten Leberkäse einfliegen lassen. Der andere trinkt gern, wieder bei einem ist es das Zigarrenrauchen. Und das Fräulein Schuh Beispiele noch und noch.
Bis sie endlich zum Menschlichen gekommen ist, praktisch Höhepunkt. Wenn du einen Star auf dem menschlichen Sektor wirklich gut kennst und genaue Aufzeichnungen über seine Vorlieben hast, dann natürlich. Kommt er gern jedes Jahr wieder.
Der Brenner hat auf seine Digitaluhr geschaut. Nicht weil der Wecker schon wieder geklingelt hat. Sondern weil ihm langweilig war. Die ganze Aufführung hat ihm nichts gegeben, und er hat jetzt verstanden, daß das Gesangswunder nur Zeit gewinnen will.
«Ohne unsere Arbeit wären doch alle Stars längst zu den neureichen Festivals wie Baden-Baden abgewandert!» hat es ihr jetzt regelrecht den Sopran überschlagen, wie der Brenner auf die Uhr geschaut hat. «Zu den Stadien-Auftritten! Glauben Sie, ein einziger würde sich noch nach Salzburg verirren?»
Und darum sage ich ja immer: Gehör wichtiger als Stimme. Weil das Fräulein Schuh hat gut gesungen, mit einer Präzision gefragt und geantwortet, und ihre Stimme war so klar und deutlich, daß dafür schon fast ein Waffenschein in Betracht gekommen wäre. Und alles, was sie gesagt hat, war für den Hugo. Weil wie gesagt. Selber fragen immer Lüge.
Aber der Brenner hat jetzt ein wunderbares Gehör gehabt. Da war es doch ein Vorteil, daß ihm der Präfekt Fitz sein Ohr letzten Endes nicht abgeschnitten hat. Weil dem seine Mutter ist da auf der Bühne gestanden und hat dem Brenner die Ohren vollgesungen, aber der Brenner nicht begeistert. Sie hat ja nur gesungen, damit ihr Fitzgerald als bloßer Handlanger dasteht. Und wenn sie sich vor Hingabe überschlagen hätte. Der Brenner hat jetzt jeden falschen Ton gehört.
12
Du wirst sagen, Tischfußball ist kein schönes Spiel für einen allein. Im Prinzip stimmt das natürlich. Aber es war trotzdem das mit Abstand Angenehmste, was der Brenner an diesem Tag erlebt hat.
Er ist ja gleich vom Fräulein Schuh weg auf den Mönchsberg hinaufgerannt und hat sich die Absprungstelle angeschaut. Ein bißchen hat er vielleicht sogar gehofft, daß er den Fitz dort findet, quasi weinender Täter am Tatort. Aber nichts da, und wie der Brenner dann ins Marianum zurückgekommen ist, hat der Portier ihm erzählt, daß der Präfekt Fitz gerade in den Keller hinunter ist.
Jetzt natürlich große Frage, ist der Präfekt in der Fotodunkelkammer, ist er im Bastelraum, ist er in der Bücherklause, ist er im Jungscharzimmer, ist er in einem der Musikzimmer, da hat es ja tausend
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