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Silentium

Silentium

Titel: Silentium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Niagarafälle nichts dagegen. Und abgesehen vom Wasser vollkommene Stille.
    «Herr Präfekt?» hat der Brenner gerufen.
    Er hat sich gewundert, daß er nur drei weiße Türen zu den Duschkabinen gesehen hat. Weil nicht zu glauben, daß drei Duschen in einem gut ausgefliesten Schlachtraum so einen Lärm machen können. Und die technische Anlage ist ihm für drei Duschen auch ein bißchen übertrieben vorgekommen, weil Vorkriegstechnik immer wieder sehr imposant: die monströsen Wasserleitungen, die schönen Glaszylinder für die Druck- und Temperaturanzeige, die beiden lenkradgroßen Regulierräder, ein rotes für das Heißwasser, ein grünes für das Kaltwasser, weil da dürfte das blaue einmal abgefroren sein, haben sie eben ein grünes aufgeschraubt. Und die haben in dem vollkommen weißen Umkleideraum richtiggehend geleuchtet.
    «Herr Präfekt?»
    Aber außer dem Wasserrauschen kein Mucks. Und wie der Brenner dann durch den schmalen, weiß ausgefliesten Durchgang geschlüpft ist, hat er die ganze Pracht erst entdeckt: bestimmt vierzig, wenn nicht fünfzig Duschkabinen, eine neben der anderen, alle ohne Türen, nur Fliesen, Fliesen, Fliesen, und die orangen Gummivorhänge sind in Fetzen heruntergehängt. Links Duschen, rechts Duschen, vorne Duschen, hinten Duschen, und Gänge in alle Richtungen und überall nichts als Duschen und wieder Duschen, und ob du es glaubst oder nicht, alle Duschen waren voll aufgedreht.
    Der Brenner hat keine Armaturen entdeckt, wo man sie hätte abdrehen können, weil da sind offensichtlich das Wasser und die Wärme nur zentral vom jeweiligen Dusch-Präfekt mit den beiden Lenkrädern reguliert worden.
    In den Gängen zwischen den Kabinen hat man sich richtig verirren können, und einziges Glück, daß hier nirgends ein Spiegel war, sonst hätte man aus dem Labyrinth wahrscheinlich bis an sein Lebensende nicht mehr herausgefunden. Obwohl jetzt, symbolisch gesprochen, muß man sagen: Der Gottlieb Meller hat ja wirklich sein Leben lang nicht mehr aus diesem Spiegelkabinett des Marianischen Hygieneunterrichts hinausgefunden. Aber interessant, daß ich jetzt diese Überlegung anstelle. Ist mir der Sandler vielleicht doch ein bißchen zu wenig philosophisch gewesen.
    Und natürlich die Geisterhand nicht zu vergessen. Weil jetzt wie von Geisterhand bei allen Duschen Wasser aus.
    Wie er wieder aus dem Kabinenlabyrinth hinausgefunden hat, ist die erste von den drei Kabinentüren im Umkleideraum nur mehr angelehnt gewesen. Und die Wasserflecken auf den Bodenfliesen zwischen der Kabinentür und dem Eck mit den Armaturen waren auch neu. Genauso wie die Geräusche aus der Kabine, wo sich offenbar gerade jemand angezogen hat.
    «Grüß Gott», hat der Herr Präfekt Fitz gesagt und ist im eleganten schwarzen Anzug aus der dampfenden Duschkabine herausgekommen. Aber seine Haare waren so naß und glatt, daß der Brenner ihn fast nicht erkannt hätte.
    «Man kann die Duschen hier nicht einzeln aufdrehen», hat der Präfekt erklärt. «Nur alle oder keine. Ist schon eine Energieverschwendung. Aber manchmal habe ich das Bedürfnis, hier herunten zu duschen.»
    «Alle oder keine», hat der Brenner wiederholt. «So wie man beim Tischfußball auch nur alle Männchen an einer Stange bewegen kann oder keines.»
    Der Präfekt hat genickt und auf den Plastiktaschenpack in den Händen vom Brenner gedeutet. «Fragen Sie sich auch manchmal, was die Sandler in ihren Plastiktaschen herumtragen?»
    «Wieso ist eigentlich Ihr Anzug nicht naß geworden?» hat der Brenner gefragt, weil sie haben jetzt ein bißchen aneinander vorbeigeredet, wie man es gern tut, wenn man weiß: Gleich geht es um sehr ernste Dinge, also reden wir vorher noch ein bißchen um den heißen Brei herum.
    Der Präfekt hat die Duschkabine aufgemacht und ihm gezeigt, daß an der Rückwand ein schmales weißes Garderobentürchen eingelassen war. «Man soll sich nicht außerhalb der Kabine nackt zeigen.»
    Der Brenner hat sich gewundert, daß trotzdem heraußen im Vorraum eine Holzbank gestanden ist, praktisch Hallenbad-Umkleideraum, und auf die hat er sich jetzt gesetzt, vielleicht ein bißchen in Erwartung des Kommenden. Er hat den Pack zwischen seine Füße gestellt und hineingeschaut. Aber das, was er herausgezogen hat, war eine Enttäuschung.
    «Wieder eine Plastiktasche», hat er zum Präfekt gesagt.
    «Die sind auch schon längst in Konkurs», hat der Präfekt auf die Tasche gedeutet, die der Brenner herausgezogen hat, weil groß und fröhlich

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