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Silentium

Silentium

Titel: Silentium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Aussprache geachtet. Wir haben über Gerüchte geredet, aber es hat bei ihm immer wie Gerüche geklungen.»
    «Gerüche!»
    «Ich hab mir dann gesagt, Fitz ist eben ein Familienname, und nicht mehr darüber nachgedacht. Aber irgendwo da ganz hinten muß ich es schon besser gewußt haben, weil ich die ganze Zeit über irgendwelche Buchstaben stolpere, seit ich in Salzburg bin.»
    «Fitzgerald Schuh. Ein wunderschöner Name», hat die Mutter sich den Namen ihres Sohnes noch einmal auf der Zunge zergehen lassen. «Er hätte Bischof werden können, wenn er nicht verführt worden wäre.»
    «Und so schreibt er nur Reden für den Bischofskandidaten Schorn.»
    «Er schreibt wunderschöne Predigten», hat die Mutter stolz gesagt.
    «Zum Beispiel über Ohren.»
    «Haben Sie die gehört? Van Gogh!»
    «Ich habe sie gehört. Und verstanden.»
    «Das haben Sie schön gesagt. Gehört und verstanden. Das ist ein großer Unterschied.»
    «Zum Beispiel, daß Sie Ihren Sohn nach dem amerikanischen Präsidenten getauft haben. Das habe ich von Ihnen schon vor Jahren gehört. Aber erst heute verstanden.»
    «Verstanden!» hat das Fräulein Schuh geschnauft. «Verstanden!» Da hat sie direkt ein bißchen verbittert geklungen. «Daß ich nicht lache!»
    Und dann hat sie dem Brenner die ganze tragische Geschichte erzählt, wie damals der Mönchsberg-Springer vom Himmel gefallen ist, wie ihr Sohn schon eine Minute nach der Zeugung keinen Vater mehr gehabt hat, Jungfrau Maria nichts dagegen.
    «Und wie haben Sie es herausgefunden, daß er mein Sohn ist? Er sieht mir doch gar nicht ähnlich.»
    «Nein. Aber dem John F. Kennedy.»
    Der Brenner hat das Fräulein Schuh noch nie so strahlen gesehen, so hat sie das gefreut. Dabei hat der Fitz dem Kennedy überhaupt nicht ähnlich gesehen, schon auch eine sonderbare Frisur, aber die Antennenhaare hat der Präfekt doch mehr von seiner Mutter gehabt, darum hat sie ihre Haare ja immer gar so brutal nach hinten gefesselt.
    Und eigentlich ist der Brenner ja durch den Sandler, der vor dem Skelett salutiert hat, auf die Idee gekommen. Aber er hat es jetzt nicht übers Herz gebracht, dem Fräulein Schuh gegenüber den Sandler zu erwähnen.
    «Das Skelett im Marianum heißt Oswald», hat er ihr erzählt, während sie weiter Richtung Felsenreitschule gegangen sind. «Genau wie der Mörder des John F. Kennedy.»
    «Mühlbacher Erwin», hat das Fräulein Schuh gesagt, weil natürlich, so hat der Mörder ihres John F. Kennedy geheißen.
    «Lee Harvey Oswald. Ein Vorname als Nachname. Ich habe so lange über diesen Namen nachgedacht, daß ich mich dann auch noch gefragt habe, was eigentlich hinter dem F. des Präsidenten Kennedy gesteckt ist.»
    «Fitzgerald», hat das Fräulein Schuh laut und strahlend ausgerufen, als müßte sie eine Ankündigung auf der Bühne der Felsenreitschule machen, auf die sie jetzt über eine Seitentreppe hinaufgestiegen sind.
    «Ich sag Ihnen, das ist kein schöner Anblick», hat das Fräulein Schuh ihn noch einmal gewarnt, bevor sie endgültig die Bühne betreten haben.
    Das war aber eigentlich gar nicht wahr. Du wirst das jetzt nicht hören wollen, aber in gewisser Weise war es schon ein schöner Anblick. Allein die riesige Bühne, die aus der Nähe zehnmal so groß war, als der Brenner sie sich vorgestellt hätte. Die Felsarkaden des Mönchsbergs, die den Bühnenhintergrund gebildet haben. Der blaue Himmel über dem offenen Dach, das blendende Sonnenlicht, das die Bühnenbretter aufgeheizt hat, daß sie geduftet haben, wie wenn man im Sommer aus einem See steigt und sich naß auf das ausgedörrte Holz legt. Weil Nässe war natürlich auch ein bißchen herum, das muß ich schon zugeben.
    Und das schönste war der rote Kranz, der sich um den Kopf der Leiche gebildet hat. Normalerweise wachsen ja die Haare aus dem Kopf, aber wenn du von einem Berg springst, ist es wieder umgekehrt, und der Kopf wächst aus den Haaren. Aber in diesem Fall hat es keinen Unterschied gemacht. Im gleißenden Hochsommerlicht haben die Haare, die aus dem Kopf gewachsen sind, um die Wette geleuchtet mit dem Kopf, der aus den Haaren gewachsen ist, Waldbrand nichts dagegen.
    Darum sage ich, wenn der Brenner ein paar Stunden früher dran gewesen wäre, hätte der Waldbrand vielleicht nicht so furchtbar büßen müssen.
    «Die Frau vom Dr. Prader», hat das Fräulein Schuh geseufzt und sich neben die Leiche gesetzt. Und dann hat sie leise zu weinen angefangen.
    Aber nicht daß du glaubst, falsches Mitleid mit

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