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Silentium

Silentium

Titel: Silentium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Gottlieb vor lauter Forschergeist die Petting-Karte aus dem Archiv gezogen hat. Eigentlich tragisch, weil mit dem Spiritual Schorn hat das gar nichts zu tun gehabt.
    Der Brenner war jetzt derart in Gedanken, daß er versehentlich zwei Bälle gleichzeitig eingeworfen hat.
    Peng! Peng! Peng!
    Jetzt komisch, er hat nur zweimal geschossen, beide Bälle mit Karacho im Tor versenkt, aber es hat dreimal peng gemacht. Wenn du natürlich zweimal schießt, aber es macht dreimal peng, ist meistens irgendwas nicht ganz in Ordnung. Und wahrscheinlich hat deshalb jetzt eine Stimme hinter ihm gesagt:
    «Nicht umdrehen, oder du bist ein toter Mann.»
    Der Brenner hat die Stimme gekannt, aber er hätte jetzt beim besten Willen nicht sagen können, wem sie gehört. Und der Geruch und das Genuschel haben ihn auch an irgendwen erinnert.
    Peng!
    Alte Regel, solange du erschreckst, bist du nicht tot, weil die Kugel, die dich tötet, hörst du ja gar nicht mehr. Aber gefährlich war es trotzdem, frage nicht. Weil der Brenner nur um Millimeter am Herzinfarkt vorbei, wie der Sandler die nächste Schulmilchpackung zusammengetreten hat. Der hat es jahrelang bei den Schülern beobachtet, jetzt hat er es selber einmal ausprobieren müssen: Schulmilch trinken, Luft hineinblasen, zertreten und gespannt warten, ob jemand mit Herzinfarkt umfällt oder nicht. Jetzt ganz geschafft hat er es nicht, aber doch Riesenfreude, daß er den Brenner so erschreckt hat.
    Mit einem riesigen Plastiktaschenpack in seinen Armen ist er dagestanden und hat den Brenner angegrinst. Lange hat seine Freude aber nicht gedauert. Ich erzähle es nicht gern, aber der Brenner hat ihm eine aufgelegt, da hat man an dem Nachdruck, den er in seinen Schlag hineingelegt hat, schon ein bißchen gemerkt, daß er von der ganzen Situation ein bißchen angespannt war.
    Aber unglaublich, durch den Schlag ist die Spannung nicht weniger geworden, sondern mehr. Weil der Sandler ganz gelassen: «Der Präfekt hat aber einen besseren Schlag als du.»
    Und es hat sich herausgestellt, daß ihn der Präfekt Fitz gerade aus den Duschen hinaus gewatscht hat, wo der Sandler den Schlafplatz vom Wetteransager übernommen hat.
    «Ich geb dir einen guten Rat», hat der Brenner gesagt. «Schleich dich.»
    Aber wenn der Sandler so ein Mensch gewesen wäre, der sich gern herumkommandieren läßt, hätte er ja gleich einen normalen Beruf ergreifen können, wo du einem magenkranken Chef den ganzen Tag seine Wünsche von den Lippen ablesen darfst. Andererseits hat er sich ein bißchen vor dem Brenner gefürchtet. Jetzt wie verweigert man einen Befehl von jemandem, den man fürchtet? Man schenkt ihm etwas.
    «Kannst du behalten», hat der Sandler gesagt und ihm seinen Plastiktaschenpack hingeworfen. «Sind eh nur mehr neue.»
    Dann ist er so schnell die Kellerstiege hinauf, daß der Brenner sich gewundert hat, daß der noch so laufen kann. Und der Brenner ist mit den Plastiktaschen dagestanden. Und dann ist er auch losgerannt. Aber nicht die Kellerstiege hinauf, sondern er ist mit dem Plastiktaschenpack in der Hand in den Duschtrakt hinübergestürmt. Nicht so schnell wie ein Gedanke, aber immerhin so schnell, daß er sich fast das Genick gebrochen hätte.
    Zuerst hat er eine Tür aufgerissen, hinter der keine Duschen waren, sondern eine vergammelte Schlosserwerkstatt, die nächste Tür hat zum Heizraum geführt, dann ist er weiter den Gang entlang, und immer, wenn er geglaubt hat, der Gang ist zu Ende, hat er nur eine Kurve nach links oder rechts gemacht. Und wenn nicht die Heizungs- und Wasserrohre gewesen wären, die immer noch weitergelaufen sind, dann hätte der Brenner schon geschworen, daß er sich gar nicht mehr unter dem Marianum befindet, sondern womöglich unterirdisch schon in einen ganz anderen Stadtteil marschiert ist.
    Aber nichts da, ganz am Ende des Kellergangs ist eine weiße Tür gewesen. Und wie der Brenner sie geöffnet hat, hat er sich an den Großschlachthof erinnert, zu dem sie einmal in der Polizeischule einen Bildungsausflug gemacht haben. Dort war auch vom Boden bis zur Decke alles weiß gekachelt. Und hier auch alles weiß: Boden weiß, Decke weiß, Wände weiß, sogar die Heiz- und Wasserrohre waren weiß übermauert, weil so hat man das früher isoliert, bevor sie die ganze Welt mit dem silbernen Schokoladenpapier umwickelt haben.
    Noch mehr hat ihn aber beeindruckt, was er gehört hat. Weil das war ein Wasserrauschen, als würden sich zehn Schulklassen auf einmal duschen,

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