Silenus: Thriller (German Edition)
rief Silenus. »Stanley, ich liebe dich, aber diese Idee ist ziemlich dumm. Ich hatte schon früher Abmachungen mit ihnen, bei denen es hart zugegangen ist, und es hat nie irgendwelche Leute gegeben, die betrügerischer und nichtsnutziger waren als die. Sie sind gewieft im Umgang mit der Sprache und verstehen sich bestens darauf, bindende Abkommen zum eigenen Nutzen zu treffen. Und zu ihrem Nutzen gehören meine Eingeweide auf einem Silbertablett, verstehst du mich?«
Stanley nickte zögerlich und ließ die Tafel sinken.
»Also, was tust du jetzt?«, bohrte George nach.
Silenus sah sich zu ihm um, als wäre ihm gerade erst wieder eingefallen, dass er da war. Er trat hinter seinen Schreibtisch, setzte sich und fragte: »Wie geht es Kingsley? Besser?«
»Nein«, antwortete ihm George. »Wenn überhaupt, dann geht es ihm schlechter.«
»Wunderbar«, seufzte Silenus. »Kann nicht wenigstens eine Sache gut laufen?«
»Franny hat mir gesagt, er würde sterben«, sagte George.
Silenus stutzte kurz. »Franny hat das gesagt?«, hakte er nach.
»Ja.«
»Behellige Franny nicht«, bat sein Vater. »Sie hat es schwer genug, und sie braucht Ruhe, wann immer sie welche findet.«
»Was stimmt denn nicht mit ihr?«
»Nichts stimmt nicht. Sie ist nur … sie hatte einen Unfall, in Ordnung?«
»Das ist nicht das, was sie mir erzählt hat«, sagte George. »Mir hat sie gesagt, sie wäre gestorben.«
Verblüfft starrte Silenus ihn an. »Das hat sie dir erzählt?«
»Ja. Aber das kann nicht stimmen, oder? Man kann nicht … tot sein und einfach so herumlaufen.«
Lange Zeit schwieg Silenus, und ein Ausdruck schrecklicher Trauer huschte über sein Gesicht. Dann sagte er: »Ich habe Franny aus Freundlichkeit in die Truppe aufgenommen, George. Sie wurde mir von ihrem Ehemann übergeben, der ein Freund von mir war. Er hatte versucht, ihrem Problem mit einigen höchst unklugen Mitteln beizukommen. Ihr Problem war, dass sie tot war. Er hatte gehofft, er könnte sie zurückholen. Aber wie du selbst erkennen kannst, hat es nicht funktioniert, zumindest nicht vollständig. Er hatte gehofft, ich könnte wieder gutmachen, was er angerichtet hatte, und sie vollständig zurückholen oder zumindest ungeschehen machen, was er getan hatte. Aber bisher war mir das nicht möglich.«
»Oh«, machte George. »Wie lange ist sie schon … so?«
»Seit Jahren.«
»Mein Gott. Was ist aus ihrem Ehemann geworden?«
»Er ist vor einiger Zeit gestorben. Aus Respekt gegenüber dem Versprechen, das ich ihm und auch ihr gegeben habe, versuche ich weiter, ihr zu helfen. Aber nun verstehst du, warum es mir lieber ist, wenn du Franny in Ruhe lässt, George. Sie hat ihre Last zu tragen wie wir alle. Du, ich, sogar Kingsley. Jeder von uns.«
»Kingsley bringt sich selbst um, richtig?«, fragte George. »Darum geht es ihm immer schlechter.«
Silenus bedachte George mit einem langen, kalten Blick und stellte sein Brandyglas auf dem Tisch ab. »Das hat Franny dir nicht erzählt, nicht wahr? Das hast du vom Professor persönlich. Das musst du von ihm haben.«
»Er hat mir ein bisschen was von sich erzählt. Darüber, wo er herkommt.« George wartete auf eine Erklärung. Als er keine bekam, fuhr er fort: »Wie konntest du jemanden wie ihn einstellen?«
»Kingsley?«, fragte Silenus. »Er ist ein guter Mann.«
»Ein guter Mann? Er hat seine eigene Frau ins Gefängnis gebracht!«
Silenus zog eine Braue hoch. »Er hat dir erzählt, sie wäre ins Gefängnis gekommen?«
»Ja! Er hat mir alles darüber erzählt, was passiert ist … mit seinem Kind.«
»Du hast mich missverstanden. Als ich gesagt habe, dass Kingsley ein guter Mann ist, habe ich nicht gemeint, er wäre moralisch unangreifbar. Ich meinte, dass er nützlich und kompetent ist und sich für unser Ziel einsetzt. Fast jeder unserer Leute dient von jeher zu mehr als nur dazu, das Publikum zu fesseln.«
»Dazu, die Weise zu hüten und vorzutragen«, sagte George erbittert.
»Ja«, bestätigte Silenus. »Das ärgert dich, und ich kann es verstehen. Aber die Weise ist das Einzige, das zählt, George. Kingsley hat seine Entscheidungen getroffen und musste mit den Konsequenzen zurechtkommen. Und er ist nicht die erste moralisch zweifelhafte Person, die die Weise beschützt hat. Er ist nur einer in einer langen Reihe. Ich meine, zum Teufel, sieh nur mich an.«
George blickte zu seinem Vater auf. Sein Hemd war weit genug aufgeknöpft, dass seine braune lange Unterhose herausschaute, über deren Bund
Weitere Kostenlose Bücher