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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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verstehen würde. Wie musste sie sich gefühlt haben, als sie diese verzerrte, infantile Version dessen auf der Bühne tanzen und Faxen machen gesehen hatte, was sie in den Augen der Leute war? Sie, dieses elegante Wesen, das er so offen verehrte? Gott, dachte er … hatte er bei dieser Nummer womöglich in ihrer Gegenwart gelacht? Er glaubte es nicht, aber allein die Vorstellung reichte ihm, sich zutiefst zu schämen. Jegliches Gelächter, das diese Vorstellung hervorgerufen hatte, hatte sie gewiss verletzt, und dazu noch einen Freund lachen zu hören, wäre ein Schmerz gewesen, der über jeden anderen Schmerz hinausgegangen wäre.
    Doch nun darüber nachzudenken ließ das, was nach der Vorstellung geschehen war, noch beunruhigender wirken.
    Sie waren gemeinsam hinausgegangen, und George hatte, wenngleich er immer noch ahnungslos war, ihr Unbehagen gespürt und sie gefragt, was los sei. Fühlte sie sich nicht gut? Fror sie vielleicht? Hatte sie die Vorstellung nicht lustig gefunden?
    Bei dieser Frage hatte sie sich kerzengerade aufgerichtet, langsam den Kopf emporgereckt, bis ihre Nase in die Luft hinaufzeigte, und die Schultern durchgedrückt, eine Pose mustergültiger Arroganz. Sie hatte kühl gelächelt, so, als wäre sie niemals so geschmacklos, echte Unterhaltung nicht als solche anzuerkennen, und hatte mit einer Spur eines französischen Akzents gesagt: »Oh, gewiss. Schließlich sind das doch sehr witzige Leute.« Und dann war sie in vornehmer, beinahe königlicher Haltung davonstolziert.
    Das gehörte, wie er erkannt hatte, zu ihrer Rolle als Prinzessin Colette. Nun aber fragte er sich, wie ihre Worte gemeint waren. Hatte sie sich auf die Schausteller auf der Bühne bezogen? Oder hatte sie damit noch mehr gemeint? Oder hatte sie vielleicht für einen Moment das Gefühl gehabt, lieber eine unechte Person sein zu wollen, eine Kunstfigur, als ein echter Mensch in einer solch bitteren und gefühllosen Welt, und Trost in ihrer erfundenen Rolle als Prinzessin gesucht?
    George dachte darüber nach, und nach einer Weile stellte er bekümmert fest, dass sie recht hatte: Er kannte sie überhaupt nicht.

23
     
    DAS WASSER DES LEBENS
     
    In dieser Nacht tat George kein Auge zu. Er saß auf seinem Bett und dachte darüber nach, wie falsch er Colette eingeschätzt oder behandelt hatte oder sie ihn, und bisweilen verfluchte er sich für seine Voreiligkeit. Dann, am frühen Morgen, hörte er, wie seine Tür geöffnet wurde. Als er sich umdrehte, sah er die kleine, massige Gestalt seines Vaters, den Zylinder in der Hand, den Raum betreten.
    »Harry?«, flüsterte George.
    »Du bist wach«, sagte Silenus. »Gut. Zieh dich an.«
    »Warum?«
    »Wir machen einen Ausflug. Zieh dir nicht deine guten Schuhe an.« Dann setzte er den Hut wieder auf, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
    Halb angezogen ging George los und entdeckte Silenus und Stanley auf der Straße hinter dem Theater, wo sie gerade mitten in einen neuen Streit vertieft zu sein schienen: Silenus hatte die Arme verschränkt und bemühte sich, Stanleys Appelle zu ignorieren, während jener seine Tafel hochhielt, auf der geschrieben stand: ES SOLLTE NICHT IHN TREFFEN. Am Rand waren noch andere, halb ausgelöschte Nachrichten erkennbar wie NOCH NICHT GUT GENUG UND DESSEN MICH.
    »Ah«, sagte Silenus, als er George erblickte. »Du bist schon fertig.«
    »Wo gehen wir zu dieser grässlichen Zeit hin?«, fragte George übel gelaunt. Der Schlafmangel und die demütigende Zurückweisung hatten ihre Spuren hinterlassen.
    »Wir gehen angeln«, sagte Silenus.
    Stanley stutzte, als er das hörte.
    »Aber keine Fische«, fuhr Silenus fort. »Und nicht an einem Fluss. Wir angeln auf einem Friedhof, George.«
    Stanley verdrehte die Augen und schrieb: LASS DEN JUNGEN DOCH SCHLAFEN. ICH KOMME AN SEINER STELLE MIT.
    »Nein«, sagte Silenus. »Das tust du nicht. Ich brauche dich überhaupt nicht. Ich brauche George. Du musst hierbleiben und auf den Rest der Truppe achtgeben.«
    ZU UNGESCHÜTZT, schrieb Stanley.
    »Die Wölfe suchen uns, aber bisher haben sie uns nicht gefunden«, sagte Silenus. »Gefährlich ist es nur in der Nähe der Teile der Weise, die sie entdeckt haben, weil sie dort lauern. Aber wir werden nicht in die Nähe dieser Teile gehen.«
    Stanley wirkte nicht überzeugt und schüttelte stirnrunzelnd den Kopf.
    »Wofür brauchst du mich eigentlich?«, fragte George.
    »Sagen wir, ich brauche einen Katalysator, und du passt wunderbar«, sagte Silenus. »Es ist

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