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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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Schulter, ein kleiner Fleck glänzender, heller Haut, eine blitzende Narbe, die in seinen Augen exakt die Form des glühenden Endes einer Zigarette hatte. »Aber ich konnte nicht einfach zum Theater wechseln. Dann hätte ich nur zu TOBA gehen können. Weißt du, was das ist?«
    »Ja«, sagte George. TOBA war die Abkürzung für Theater Owner’s Booking Association, einem Buchungsverband von Theaterbesitzern, der an der Ostküste aktiv war und schwarze Künstler beschäftigte. In Vaudevillekreisen sprach man allerdings wegen der zermürbenden Bedingungen und der erbärmlichen Bezahlung meist von »Tough on Black Asses«.
    »Ich war hellhäutig genug, um ihn auf diese Idee zu bringen«, erzählte Colette weiter. »Als Ausländerin bin ich ausreichend glaubwürdig. Ich sehe nicht so aus wie die meisten anderen Schwarzen, und wer weiß hier schon, wie eine Perserin aussieht? Außerdem spreche ich recht gut französisch. Also hat er mich einfach als Mitglied eines Königshauses herausgeputzt.« Sie ließ ein Lächeln aufblitzen. »Klugschwätzer. Ich wundere mich jedes Mal aufs Neue, dass wir damit durchkommen. Ein Negermädchen, das Weiße dazu bringt, sich vor ihr zu verbeugen und ihr Getränke auszugeben. Nur wegen eines Kleids, eines miesen Akzents und eines kitschigen Schmuckstücks.«
    »Das nenne ich eine erfolgreiche Vorstellung«, sagte George. »Er muss dich gut ausgebildet haben.«
    »Ja. Das hat er. Das könnte sogar meine beste Vorführung sein. Besser als alles, was ich auf der Bühne mache.«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Vielleicht nicht. Aber ich kann nicht ewig so weitermachen. Harry weiß, dass diese Masche in New York nicht ziehen wird. Als königliche Hoheit gehe ich nur in der Provinz durch. Aber da ist noch mehr. Ich will das auch einfach nicht mehr. Ich bin es so leid, mich zu verstellen. Ich hasse diese gottverdammte Prinzessin, die ich darstellen soll. Aber wo wäre ich ohne sie?« Sie seufzte. »Weißt du noch, wie ich dir vom Palace erzählt habe? Davon, dass ich es mir angesehen habe?«
    »Ja.«
    »Ich bin damals in New York nicht hineingegangen, aber ich war in einem anderen Theater, das ungefähr genauso gut zu sein schien. Und da ist ein Komiker aufgetreten. Die Leute haben sich hineingezwängt, um ihn zu sehen. Er war die Nummer, verstehst du? Und wie sich herausgestellt hat, war er farbig. Und nicht nur farbig, sondern auch noch mit Blackface-Maske«, sagte sie und meinte damit die allgemeine Erwartung, dass farbige Unterhaltungskünstler das gleiche Make-up auflegten, das Weiße bei ihren Minstrel-Auftritten benutzten. »So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen. Der Kerl hatte also seinen Auftritt, eine der witzigsten Vorstellungen, die ich je erlebt habe. Es war eine stumme Darbietung, eine Pantomime, in der er getan hat, als wäre er in einer Pokerrunde und würde gegen andere spielen. Da war diese großartige Sache, als er den Kopf gehoben und über seine Karten nachgedacht hat – die natürlich gar nicht da waren –, und dann hat er ganz schnell mit den Augen geklimpert und etwas vor sich hin gemurmelt. Und alle haben Tränen gelacht.«
    »Bert Williams«, sagte George, der bereits von der Nummer gehört hatte. Williams war ein Titan im Vaudeville, besonders nach seinem Erfolg in den Ziegfeld Follies am Broadway. Er war einer der sehr wenigen Schwarzen, die so viel Ruhm erworben hatten, ob es den Leuten nun gefiel oder nicht.
    »Bert Williams«, wiederholte Colette. »Ja. Ich weiß nicht wie, aber er hat es geschafft. Spielt in den besten Theatern vor dem besten Publikum. Und ich dachte, wenn er das kann, warum kann ich es dann nicht auch? Alles, was dazu nötig ist, ist Talent. Talent und Übung.« Für einen Moment verfiel sie in Schweigen. »Wie viel weiter kann ich wohl kommen, was meinst du? Ich werde die Truppe nie leiten. Wenn Harry sie je irgendjemandem übergibt, dann ist das Stanley.«
    »Stanley? Warum Stanley?«
    »Weil sie verwandt sind, natürlich.«
    Georges Mund klappte auf. »Verwandt? Sie sehen sich gar nicht ähnlich! Woher weißt du, dass sie verwandt sind?«
    »Na ja, eigentlich weiß ich es nicht mit Sicherheit. Es liegt wohl daran, wie sie miteinander reden. Aber wenn ich richtig liege, dann bekomme ich nie die Leitung«, sagte sie. »Ich werde immer nur Prinzessin Colette sein, in der Provinz festsitzen und kleine Nummern in kleinen Theatern geben. Ich werde nie groß rauskommen. Ich bin nur ein dummes farbiges Mädchen, das dummen Träumen nachhängt, nur

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