Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
Vom Netzwerk:
sondern seine Füße, und als die Entfernung zunahm, glaubte George, etwas Weißes an Stanleys Brusttasche aufblitzen zu sehen, das hinauf zu seinem Gesicht wanderte. Es war, ging George auf, ein Taschentuch, und er wusste sofort, dass Stanley es brauchte, um seine Tränen zu trocknen.
    Angesichts der plötzlichen Abreise dauerte die Zugfahrt enorm lang. George schlief anfangs mehrfach ein, doch jedes einzelne Nickerchen war trostlos und schenkte ihm wenig Erholung. Schließlich fragte er erneut, wo die Reise hinging.
    »Zu einem Friedhof, wie ich es dir gesagt habe«, sagte Silenus. »Aber es ist ein ganz besonderer Friedhof. Er ist extrem alt, so alt, dass die Leute im Grunde gar nicht wissen, wie alt er ist, anderenfalls würde er viel mehr gefeiert werden. Und im Laufe der Zeit hat er einige der angesehensten Bewohner, die dieses Land je gesehen hat, angesammelt. Natürlich spreche ich von Toten. Und darunter ist einer, den ich suche.«
    »Du zerrst mich quer durch das Land, um einen Toten zu suchen?«
    »Richtig«, bestätigte Silenus. »Finn MacCog, um genau zu sein. Er hat einige außergewöhnliche Vorkehrungen hinsichtlich seiner Beerdigung getroffen, die ich gern überprüfen möchte.«
    »Und wie soll ich dir bei dieser Überprüfung helfen?«
    »Warum schläfst du nicht noch ein bisschen, hm?«, fragte sein Vater.
    Gegen Abend trafen sie in einer kleinen Stadt in New York State ein und suchten nach einem Fuhrwerk, das sie zum Friedhof bringen sollte. Der Kutscher bedachte sie mit einem nervösen Blick, als er hörte, wohin es gehen sollte, und Silenus musste den Fahrpreis erheblich heraufsetzen, ehe der Mann sich einverstanden erklärte, sie zu fahren.
    Bald kamen sie zu einem Eisentor zwischen zwei Steinsäulen, hinter dem ein Pfad in den Wald führte. Der Pfad lag in tiefer Finsternis da, und keiner von ihnen konnte erkennen, wo er endete. Der Kutscher war so ängstlich, dass Silenus ihm noch mehr bezahlen musste, um ihn zum Warten zu überreden, was er ein gutes Stück die Straße hinunter tat.
    Das Tor war zu Georges Verwunderung unverschlossen. Knarrend öffnete es sich für Silenus, und beide gingen hinein.
    »Wie hast du von diesem Ort erfahren?«, fragte George.
    »Ich habe hier einmal jemanden beerdigt«, sagte Silenus. »Vor langer, langer Zeit.«
    Sie erreichten das Friedhofsgelände. Dort gab es Hunderte Reihen von Grabsteinen der verschiedensten Formen und Gesteinsarten, und einige sahen sehr alt und verfallen aus. Der Wald selbst umrahmte den Friedhof wie ein Zaun, doch nicht einer der Bäume beeinträchtigte eine der vielen Grabstellen. Es war ein extrem stiller, ruhiger Ort, erleuchtet allein von dem abnehmenden Tageslicht.
    »Fühlst du es?«, fragte Silenus.
    »Fühle ich was?«
    »Zeit«, sagte er. »An gewissen Orten bildet sie Teiche und Strudel. Auf Friedhöfen sind die Auswirkungen besonders auffällig. So viel Zeit und so viel Leben sind hier angehäuft … es ist wie eine unterirdische Höhle voller Wasser. Hier können die Toten ruhig schlummern.« Aus zusammengekniffenen Augen musterte er die Grabsteine um sich herum. »Hm. Nun gut. Meinen Nachforschungen zufolge wurde Finn MacCog 1796 hier begraben.«
    »Vor so langer Zeit?«
    »Ja. Aber es wird nicht ganz einfach sein, seine Ruhestätte zu finden. Er hat darum ersucht, dass sein Grabstein mit ihm begraben wird.«
    »Was für ein Mensch will sich wohl mit seinem eigenen Grabstein beerdigen lassen?«, fragte George.
    »Nun, er hat auch verlangt, dass einige seiner kostbarsten Besitztümer mit ihm begraben werden, damit er sich im Jenseits an ihnen erfreuen kann. Das stellte Finn allerdings vor ein kniffliges Problem – er wollte nicht in einem nicht gekennzeichneten Grab liegen, denn dann fürchtete er, nicht gefunden und geweckt zu werden, wenn die Entrückung käme, andererseits war er ein misstrauischer Lump, der nicht wollte, dass irgendwelche Grabräuber ihn ausgraben und seine Kostbarkeiten stehlen. Da er aber davon ausging, dass Jesus und die Engel Gottes kein Problem mit ein paar Fuß Erde haben würden, hat er seinen Grabstein ein paar Zoll oberhalb seines Sarges mit in die Erde legen lassen.«
    George bekam allmählich ein ganz schlechtes Gefühl. »Und was haben wir hier vor?«
    »Für den Moment hast du nichts weiter zu tun, als dich da hinzustellen, wo ich es dir sage«, sagte Silenus.
    »Wozu?«
    »Hmm … 1796 … das wäre also was?«, murmelte sein Vater im Selbstgespräch und musterte die Grabsteine. Dann

Weitere Kostenlose Bücher