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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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nicht gefährlich. Ich brauche nur ein Schilfrohr, das den Wind fängt und für mich singt.«
    »Ich singe nicht«, wandte George ein.
    »Dir fehlt jede metaphorische Ader«, sagte Silenus. »Gehen wir zu dem Scheißbahnhof, einverstanden? Ich muss in der Nähe noch ein paar Dinge erledigen, ehe wir loskönnen.«
    Als sie am Bahnhof eintrafen, kaufte Silenus die Tickets und eilte zu einem Eisenwarenladen an der Ecke, wollte aber nicht sagen, was er dort suchte. George und Stanley setzten sich auf eine Bahnhofsbank und warteten.
    Stanley beobachtete George sorgenvoll aus dem Augenwinkel und streckte dann den Arm aus, als wollte er ihn umarmen. George zuckte zusammen und wich aus.
    »Nicht«, protestierte er. »Was tust du?«
    Stanley blinzelte verletzt und lächelte vage. DEIN KRAGEN SITZT NICHT RICHTIG, schrieb er.
    »Darum kann ich mich selbst kümmern.« Er tat es, vermied aber, Stanley ins Gesicht zu schauen. Dann rutschte er zur Seite, um mehr Abstand zu dem älteren Mann zu gewinnen. Er war nicht sicher, ob der Wolf in Rot recht hatte, aber er wollte derzeit nicht von Stanley berührt oder umsorgt werden, nicht, solange er in so einer schlechten und unversöhnlichen Stimmung war.
    Stanley rutschte auf seinem Platz herum. Es schien, als sähe er sich um, um sich zu vergewissern, dass Silenus nicht in der Nähe war. Dann zog er seine Tafel hervor und schrieb: HAB WAS FÜR DICH.
    George blickte zur Seite, um die Botschaft zu lesen, sah den Mann aber nicht an.
    Stanley griff in seinen Mantel. Er schien sich dessen, was er tat, ein wenig zu schämen, doch dann lächelte er, zuckte mit den Schultern und zog sein Geschenk hervor. Etwas glitzerte golden in seinen Fingern, und George schielte erneut hinüber und erkannte, dass Stanley eine sehr dicke Taschenuhr in der Hand hielt.
    DACHTE, DU KÖNNTEST EINE UHR BRAUCHEN, schrieb Stanley. NICHT NEU. ALT. ZEIGT IMMER NOCH DIE ZEIT, LÄUFT ABER NACH. Er klappte die Uhr auf, um sie ihm zu zeigen, lächelte und drehte an dem Knopf auf der Oberseite. EMPFINDE DERZEIT NICHT DAS BEDÜRFNIS, DIE ZEIT IM AUGE ZU BEHALTEN. NICHT MEHR SO WICHTIG.
    Er hielt George die Uhr hin. George starrte sie an, nahm sie aber nicht. »Warum?«, fragte er.
    Stanley geriet ins Stocken, ergriff aber seine Tafel und schrieb: HAST DU SCHON EINE UHR?
    »Ist das alles? Du willst mir einfach eine Uhr geben?«
    Stanley musterte ihn mit verwirrter Miene.
    »Du schenkst mir Kleidung, Kämme«, sagte George, »Rasiermesser und Schuhe und … und jetzt auch noch eine Uhr? Warum? Was willst du von mir?«
    Stanley dachte nach und griff erneut zu der Tafel. Er schrieb verschiedene Dinge, löschte sie aber alle wieder aus, ehe er George schließlich seine Antwort präsentierte. WILL GAR NICHTS, hatte er geschrieben.
    »Dann hör einfach auf, ja? Hör auf, mir Sachen zu schenken. Hör auf, ständig um mich herum zu sein. Hör einfach auf.«
    Stanley starrte ihn an. Der Mann sah untröstlich aus, und nun war George sicher, dass der Wolf in Rot recht hatte.
    »Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, verstanden?«, sagte George. »Lass mich einfach in Ruhe.«
    Stanley sackte ein wenig in sich zusammen. Dann nickte er, steckte die Taschenuhr ein und wandte sich ab.
    Endlich kehrte Silenus mit großen Segeltuchtaschen über der Schulter zurück. »Das hat länger gedauert, als es hätte dauern sollen«, sagte er.
    »Was hast du gekauft?«, fragte George. Was immer in diesen Taschen war, klapperte, wenn Silenus sich bewegte, und George hatte das überaus unangenehme Gefühl, es könnte sich um Schaufeln handeln.
    »Das ist nicht wichtig. Komm, Junge. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Wir müssen bei Anbruch der Nacht dort sein, und ich möchte nicht im selben Staat wie Lettie sein, wenn sie herausfindet, dass ich das Budget wieder einmal für Eisenbahnkarten angezapft habe.«
    George erhob sich, bereit, ihm zu folgen. Silenus verabschiedete sich von Stanley, George jedoch nicht. Aus irgendeinem Grund ärgerte sich sein Vater darüber. »Sag Auf Wiedersehen, ja?«, fuhr er George an. »Es ist unhöflich, grußlos zu gehen.«
    Weder sah George Stanley an noch umgekehrt. »Auf Wiedersehen«, murmelte George, und Stanley nickte.
    Sie stiegen ein, und einige Minuten später setzte sich der Zug in Bewegung. Als er abfuhr und George und Silenus aus dem Fenster blickten, sahen sie Stanley zusammen mit einigen wenigen anderen Schaulustigen auf dem Bahnsteig stehen. Doch im Gegensatz zu den anderen sah er nicht den Zug an,

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