Silenus: Thriller (German Edition)
ausgeraubt wegen Whiskey?«
»Aber gewiss«, sagte Silenus, stellte die Flasche ins Gras und kletterte aus der Grube. Er war von Kopf bis Fuß schmutzig. »Die Idee kam mir gestern Abend, als ich meinen Wein betrachtet habe. Es gibt nur noch zwei bekannte Flaschen Uisce beatha auf der Welt, und die werden streng bewacht und für Rituale benutzt, falls sie überhaupt benutzt werden. Aber die Leute, die ich um Hilfe bitten will, sind … sehr berühmte Gourmands.«
»Gour-was?«
»Gourmands. Genießer. Leute, die sich an Speisen, Getränken und edlen Dingen erfreuen. Und am Exzess. Sie sind wahrhaft große Anhänger des Exzesses, und ich denke, sie werden diese Gabe sehr hoch schätzen. Nun hilf mir ein wenig. Ich weiß, du willst kein Grab öffnen, aber du wirst sicher keine moralischen Einwände haben, eines zuzuschaufeln, richtig?«
24
DER MITTERNÄCHTLICHE BESUCHER
Als sie ins Theater zurückgekehrt waren, berief Silenus ein Treffen der ganzen Truppe ein. Colette hatte den Fehlbetrag in der Kasse entdeckt und stand kurz vor der Explosion, doch Silenus gab sein Bestes, um sie zu besänftigen. »Ich glaube, ich habe eine Lösung für all unsere Probleme gefunden«, sagte er. »Ich habe einen entscheidenden Ratschlag einige Zeit lang ignoriert.« Er nickte Stanley zu, der einen besorgten Eindruck machte. »Das lag jedoch daran, dass ich dachte, er wäre nicht in die Tat umsetzbar. Jetzt aber glaube ich, ich könnte eine Möglichkeit gefunden haben, ihn doch aufzugreifen.«
»Also, was tun wir jetzt?«, fragte Colette.
»Was wir immer getan haben«, sagte Silenus. »Wir reisen und geben eine Vorstellung, aber dieses Mal werden wir vor einigen sehr, sehr anspruchsvollen Leuten auftreten. Und wir werden uns verdammt viel Mühe geben, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln, so viel steht fest. Und wenn ihnen, in Verbindung mit dem Präsent, das ich ihnen darbieten werde, gefällt, was sie zu sehen bekommen, dann helfen sie uns vielleicht, und das wäre extrem gut. Nun muss also jeder von euch alles einpacken, was er braucht, und ihr müsst all unsere Requisiten in mein Büro bringen, und wir müssen so ausgeruht sein wie nur möglich.«
»Warum sollen wir alles in dein Büro bringen?«, fragte Colette.
»Weil der Ort, den wir aufsuchen werden, per Eisenbahn nicht erreichbar ist«, antwortete Silenus. »Also los, fangen wir an. Packt auch die Kulisse ein, auch wenn ich nicht weiß, wozu wir sie brauchen könnten.«
Wie sich herausstellte, musste George mehr fortschaffen als nur Requisiten. Der Theaterleiter hatte Stanley darüber in Kenntnis gesetzt, dass Georges Zeit im Theater abgelaufen sei. Sie mussten sein Gepäck quer durch die Stadt zu Colettes Hotel schleifen, dem Ort, den Silenus’ Tür für ihr Erscheinen gewählt hatte. Anschließend mietete ihm sein Vater ein Einzelzimmer für die Nacht.
Als sie endlich fertig waren, wies Silenus sie an, ihre besten Kleider zu säubern und für den kommenden Tag bereitzulegen. »Wir wollen schließlich einen möglichst guten Eindruck hinterlassen«, erklärte er. Dabei schwitzte er und trank unentwegt aus seiner Taschenflasche. »Das wird unser bisher anspruchsvollstes Publikum.«
George tat, was sein Vater gesagt hatte, doch als er fertig war, lag er auf dem Bett und starrte zu der knarrenden Decke empor. All das, was geschehen war, machte ihm viel zu sehr zu schaffen, als dass er hätte schlafen können. Schließlich stand er auf, um seinen Vater zu suchen, doch als er an Frannys Zimmer vorbeikam, hörte er Silenus sagen: »Halt still.«
»Das tut weh«, antwortete Frannys Stimme.
»Nun, es tut weh, weil du nicht still sitzen kannst, und du hast das schon eine Weile nicht mehr gemacht. Also, halt bitte still.«
George ging zu ihrer Tür und blickte hinein. Franny saß vor dem Waschtisch in der Ecke und starrte ausdruckslos in den Spiegel, und Silenus stand hinter ihr. Zu Georges Erstaunen bürstete er ihr Haar, nahm ihre orangeroten Locken und strich sacht mit der Bürste darüber. Das war eine so intime Situation, dass George für einen Moment glaubte, er hätte zwei vollkommen andere Personen vor Augen.
»Bürstest du dir denn nie die Haare, meine Liebe?«, fragte Silenus. »Bin ich der Einzige, der das tut?« Franny schüttelte den Kopf, und Silenus machte: »Tststs. So kann ich dich nicht herumlaufen lassen, weißt du? Nicht morgen. Fühlt sich das nicht gut an?«
Wieder schüttelte sie den Kopf wie ein eigensinniges Kind.
»Es fühlt sich nicht
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