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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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eitel«, erklärte Silenus. »Ich will, dass sie zuerst sich selbst sehen, und dort, wo sie herkommen, funktionieren Spiegel nicht ordnungsgemäß. Entsprechend hoch werden sie geschätzt.«
    Franny sah sich verwirrt um. »Wisst ihr, ich … ich glaube, ich erinnere mich daran«, sagte sie. »So etwas habe ich schon einmal gemacht, nicht wahr?«
    »Nein«, entgegnete Silenus in scharfem Ton. »Das hast du nicht. Ich wüsste es, wenn es anders wäre.«
    »Oh«, sagte sie und nickte.
    Silenus kontrollierte seine Taschenuhr. »Gut. Die Zeit ist gekommen.« Er ging in die Knie, riss ein Zündholz an und entfachte ein Feuer. Blaue Flammen tanzten über die geteerten Zweige. Dann erhob er sich und sagte: »Wir müssen noch ein paar Regeln durchgehen, ehe wir einem von ihnen begegnen. Erstens, behandelt sie nie als Ebenbürtige. Sprecht sie immer mit ›Mylord‹ oder ›Mylady‹ an. Das ist von größter Wichtigkeit. Zweitens, geht niemals auf Kränkungen ein, sollte es welche geben. Und es wird sie geben. Ihr müsst gute Miene zum bösen Spiel machen.«
    »Und warum bitten wir diese Wichtigtuer überhaupt um Hilfe?«, fragte Colette. »Es hört sich an, als wären sie unerträglich.«
    »Sie sind unerträglich, aber auch sehr mächtig«, sagte Silenus. »Also, wir müssen jetzt alle ganz einfach beschissen höflich sein, verstanden?«
    Kalter Wind zog über das Feld, und der Spiegel fing an, an seiner Schnur zu kreisen, was George so sehr überraschte, dass er kaum merkte, dass sich der Nebel im Wald hinter dem Spiegel verdichtete.
    »Kommen wir zur dritten Regel – sie könnten euch etwas anbieten«, sagte Silenus. »Unter keinen Umständen dürft ihr annehmen. Ihre Gaben sind stets an Bedingungen geknüpft, und obwohl ihr Leben und Überleben von sehr speziellen und verbindlichen Übereinkommen abhängt, sind sie extrem geschickt darin, einem zu ihrem eigenen Vorteil das Wort im Munde herumzudrehen. Vielleicht bieten sie euch etwas an, das ihr euch verzweifelt herbeisehnt – etwas, von dem ihr beinahe glaubt, ihr könntet nicht ohne es leben –, aber ihr dürft nicht annehmen. Verstanden?«
    »Verstanden«, sagte Colette.
    »Gut. Die letzte Regel lautet: Ihr dürft niemals die Aufmerksamkeit auf ihre Masken lenken.«
    »Ihre was?«, fragte George.
    »Ihre Masken. Seht sie nicht zu lange an. Berührt sie nicht. Und um Christi verdammter Liebe willen, bittet sie niemals , sie abzunehmen.«
    Inzwischen schien es noch kälter geworden zu sein. Stanley bibberte in seinem kleidsamen Sakko. Der Spiegel kreiselte immer noch an seiner Schnur, wurde aber langsamer, und als er langsamer wurde, glaubte George, auf einer Seite eine Reflexion zu erblicken, die gar nicht dort sein dürfte: Der Spiegel zeigte die Truppe auf der Kreuzung, was so weit zutreffend war, doch hinter ihnen befand sich ein Gehölz aus spindeldürren, hohen Bäumen mit ergrauenden Stämmen und unzähligen verdrehten Ranken, und über dem Wald war ein dunkler Nachthimmel mit Tausenden und Abertausenden von Sternen …
    George schaute sich um, sah aber nichts, was dem Bild im Spiegel entsprochen hätte. Es war Tag, und da war kein Wald. Die Kälte wurde so überwältigend, dass er im Einklang mit Stanley zitterte, und es fühlte sich an, als würden sie langsam an einen Ort gezogen, der viel dichter, viel härter und viel kälter war als die Welt, in der sie gerade noch gewesen waren. »Hier stimmt was nicht …«, sagte er, aber niemand hörte ihn.
    »Warum tragen sie Masken?«, fragte Colette.
    »Diese Wesen sind unsterblich«, sagte Silenus. »Sie kennen keinen natürlichen Tod, nur Gewalt kann sie töten. Aber wenn du ewig lebst, dann wirst du irgendwann alles sehen. Und ein paar Unfälle oder Unglücke kannst du nicht verhindern. Obwohl die verbliebenen Elfen immer noch unsterblich sind, sind sie … ihrem ursprünglichen Selbst unähnlich geworden. Und sie sind sehr, sehr eitel, also verbergen sie ihre Gesichter …« Der kreisende Spiegel hielt abrupt an. Silenus blickte zu dem nebelverhangenen Wald jenseits des Feldes hinauf. »… unter Masken.«
    Der Rest der Truppe folgte seinem Blick. Da war ein seltsames, wallendes Licht im Wald, und eine Gestalt tauchte zwischen den Bäumen auf. Sie war sehr groß und in solch tiefes Schwarz gewandet, dass George außer einem leuchtend weißen Gesicht und einer grauen Kappe nichts erkennen konnte, aber aus irgendeinem Grund löste der Anblick dieses bizarren Dings im Wald ein entsetzliches Grauen in ihm

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