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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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aus. Seine Bewegungen waren sonderbar, so, als wären die Beine zu lang geraten und es müsse sich watend voranbewegen, beinahe wie ein Mann auf Stelzen.
    »Da kommt er«, sagte Silenus leise.
    Die Gestalt schritt über das mit Steinen übersäte Feld auf sie zu. Das Wesen sah aus wie ein Mann, aber wenn es ein Mann war, dann war es der größte, den George je gesehen hatte. Es maß beinahe sieben Fuß. Es trug einen edlen, schwarzen Anzug, geschneidert aus einem Stoff, der noch im schwächsten Lichtschein zu schimmern schien. Beinahe wie Franny hatte es keinerlei sichtbare Haut: Es trug schwarze Handschuhe, und Hals und Handgelenke waren mit schwarzen und grauen Tüchern oder Schals umwickelt. Auf dem Kopf thronte ein grauer Homburger, und das Gesicht verbarg sich hinter einer kunstvollen weißen Maske, die noble, romanische Züge mit einer langen, zarten Nase, schmalen, versonnenen Lippen und einer glatten Stirn präsentierte. Aber obgleich die Züge nahezu menschlich waren, waren sie es doch nicht ganz, und in Verbindung mit den leeren, dunklen Augenhöhlen der Maske wirkte das weiße Gesicht fremdartig und beunruhigend.
    Der Mann blieb stehen, als er noch einige Fuß von ihnen entfernt war, und musterte sie. Sein Blick fiel auf den Spiegel, und für einen Moment starrte er sich wie gebannt selbst an, was seine Stimmung zu heben schien. Dann drehte er sich um und sagte mit einer hohen, zarten Stimme, die durch die Maske gedämpft wurde: »Sei gegrüßt, Heironomo Silenus, Ältester Wanderer, Echosammler, Träger ewiglicher Lichter, Meister von Bühne, Rede und Gesang.«
    Für einen Moment geschah gar nichts. Die Truppe und der Mann in Schwarz sahen einander nur an. Er war solch eine fremdartige und verstörende Kreatur, dass George nicht recht wusste, was sie nun tun sollten.
    »Vergebt mir meine Ungezogenheit, Mylord«, sagte Silenus plötzlich, und seine Worte sprudelten über vor Höflichkeit. »Habt tiefen Dank dafür, dass Ihr unseren Ruf gehört habt und ihm gefolgt seid.« Er zog seinen Hut und verbeugte sich tief. Dabei trat er George gegen den Fuß, um ihn und die anderen aufzufordern, es ihm gleichzutun. Die Männer verbeugten sich, die Damen knicksten artig. »Ihr seht prachtvoll aus, wie eh und je. Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr Euch über die aktuelle Mode auf dem Laufenden haltet, Mylord?«
    Der Mann in Schwarz starrte ihn lange Zeit leeren Blickes an. Dann sagte er mit der bereits bekannten zarten Stimme: »Von Angehörigen des Hofstaats der Quelle des Kummers wird erwartet, stets auf der Höhe der Zeit zu sein.«
    »Gewiss«, sagte Silenus, spuckte nonchalant den Krähenknochen aus und richtete sich wieder auf. »Wie dumm von mir, so etwas zu fragen. Ihr erweist diesen neuen Geschmäckern jedoch einen weitaus besseren Dienst als jeder andere mir bekannte Herr.«
    »Ich persönlich halte die neueste Mode für gänzlich vulgär und verachtenswert«, verkündete der Mann in Schwarz.
    »Ja, gewiss«, sagte Silenus. »Ihr liegt vollkommen richtig mit Eurer Bewertung, Mylord. Es ist so beklagenswert.«
    »Ich liebe sie«, sagte der Mann in Schwarz, » weil sie so vulgär und verachtenswert ist.«
    »Gewiss tut Ihr das«, sagte Silenus. »Ein jeder Edelmann mit Eurer überaus herausragenden Lebensart täte das.«
    Wieder starrte der Mann in Schwarz Silenus lange Zeit schweigend an. Dann ließ er seinen Blick über die Truppe schweifen. Was er sah, schien ihn wenig zu beeindrucken.
    »Ach ja«, sagte Silenus. »Bitte gestattet, dass ich Euch meine Reisegefährten vorstelle.« Was er dann auch tat, indem er von einem zum anderen ging und seine Gaben und Rollen beschrieb.
    »Gehe ich recht in der Annahme, dass du und deine Gefährten Einlass zum Hof begehrt?«, fragte der Mann in Schwarz.
    »Das ist in der Tat unser Wunsch, Mylord«, sagte Silenus. »Natürlich nur, wenn es Euch und dem Hof gefällt.«
    »Welch ungewöhnliche Lage. Als Herold bin ich befugt, Gästen Zutritt zu gewähren oder zu verweigern«, sagte der Mann in Schwarz. »Die meisten werden zurückgewiesen. Doch die Herrin hat mir erklärt, dich möge ich zu jeder Zeit und unter jeglichen Umständen einlassen, Silenus. Sie wünscht inniglich, dich wiederzusehen. Tatsächlich kursieren schon Gerüchte, die besagen, du gingest ihr aus dem Wege.«
    Silenus bedachte ihn mit einem friedfertigen Lächeln. »Das ist gewiss eine Angelegenheit, die allein die Herrin betrifft.«
    Der Herold nahm eine steife Haltung ein. »Wie du wünschst.

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