Silenus: Thriller (German Edition)
Sänger töteten. Endlich könnten sie die letzten Reste der Welt verzehren und Frieden finden. Und so haben sie uns seither ständig gejagt. Die Weise zu singen treibt sie normalerweise zurück, so, als würde man einen Damm vor einer Flut verstärken. So war es über … Teufel, Tausende von Jahren. Aber aus irgendeinem Grund hat es in dem Hotel in Parma nicht funktioniert. Bisher weiß ich noch nicht, warum, und das ist außerordentlich besorgniserregend.«
»Haben Sie gesagt, Tausende von Jahren?«, fragte George.
»Ja«, sagte Silenus. »Das läuft schon eine ganze Weile, Junge. Was denkst du, wie alt ich bin?«
»Ich weiß es nicht«, sagte George, glaubte aber, er sähe etwas wie Zorn in Silenus’ Gesicht, das andeutete, dass diese Frage für ihn einen bitteren Hintergrund barg.
»Im Laufe der Jahre hat es stets eine Gruppe reisender Künstler irgendeiner Art gegeben. Sie stammten aus unterschiedlichen Ländern, hingen unterschiedlichen Glaubensrichtungen an, waren unterschiedlicher Rasse, sprachen unterschiedliche Sprachen und boten unterschiedliche Formen der Unterhaltung. Nicht alle traten auf einer Bühne auf. Manche brachten ihre Nummern auf städtischen Plätzen, auf Feldern oder in Tempeln oder auf der Ladefläche eines Fuhrwerks. Wo immer sie eine Menschenmenge anlocken konnten. Aber sie alle hatten die Erste Weise dabei und sangen sie während ihrer Auftritte, und wenn die Zeit gekommen war, gaben sie sie weiter.«
»Wissen die anderen Mitglieder der Truppe Bescheid?«
»Sie haben die Bildvorführung alle gesehen«, sagte Silenus. »Die Mitglieder haben über die Jahre gewechselt, aber alle haben viele Menschen angelockt. Und das ist genau das, was wir brauchen. Wenn ich es mal so sagen darf: In ihrer derzeitigen Form ist die Truppe so effizient wie nie zuvor.«
»Tatsächlich?«, fragte George, und dann wurde es ihm klar. »Aha. Weil sie zum Vaudeville gehört, nicht wahr? Ich nehme an, die Theaterketten sind perfekt für Sie.«
»Kannst du dir eine bessere Vorgehensweise vorstellen?«, fragte Silenus. »Es steht uns frei – nein, es wird von uns erwartet –, dass wir kreuz und quer durch das Land reisen, von einem Theater zum anderen, und unsere kurze Vorstellung vor gewaltigen Menschenmengen zum Besten geben. Nirgends kann ein Unterhaltungskünstler mehr Leute erreichen als im Vaudeville.«
Stanley schrieb: UND UNSERE REISEN SIND AUCH EINE NÜTZLICHE TARNUNG BEI UNSERER SUCHE.
»Wonach suchen Sie?«, fragte George.
»Nach weiteren Teilen der Weise«, sagte Silenus.
»Weitere Teile? Ich hätte vermutet, Sie hätten inzwischen längst alle gefunden.«
Wieder zeigte sich das bittere Lächeln. »Nein«, sagte Silenus, »das haben wir nicht. Wir haben, so glauben wir, über die Jahre eine Menge gefunden. Nicht alle Teile, aber die meisten. Aber einige wichtige Schlüsselfragmente fehlen uns immer noch. Wie die Dinge stehen, können wir bei unseren Auftritten stets nur einen Teil vortragen. Es gibt viele Dimensionen der Schöpfung, denen wir nicht beistehen und die wir nicht erneuern können. Also suchen wir beständig nach den fehlenden Teilen, um sie einzusammeln und die Lücken zu füllen.«
George wollte gerade fragen, wie sie das anstellten, als ihm plötzlich in den Sinn kam, wie die beiden mit dem gewaltigen Überseekoffer durch den Regen gestapft waren. Er erinnerte sich, wie wütend Silenus gewesen war, als wäre er unterwegs gewesen, um nach etwas zu suchen, und zutiefst enttäuscht zurückgekommen. Und dann war da noch das, was das Mädchen in Grün gesagt hatte: Silenus schien stets etwas sehr, sehr Schweres zu tragen.
»Oh«, sagte George. »Die Truhe!«
Silenus kniff die Augen zusammen. »Was?«
»Darin sammeln Sie die Teile. Sie sind in … in dieser Truhe mit all den vielen Schlössern. Sie und Stanley verstauen die Teile in der Truhe, nicht wahr?«
Silenus schwieg lange Zeit. Dann sagte er: »Die Einzelheiten über das Sammeln und Singen sind äußerst heikel und geheim, Junge. Stanley ist mein Assistent, und er ist der Einzige, der wissen darf, was ich mit dieser Weise mache. Ich erzähle dir gerade eine Menge über Dinge, für deren Schutz Menschen den Tod gefunden haben. Mehr werde ich dir nicht erzählen. Das sind unsere bestgehüteten Geheimnisse, und ich bin nicht bereit, sie mit dir zu teilen. Zumindest nicht jetzt.«
»Menschen sind zu Tode gekommen?«, fragte George. »Wegen eines Liedes?«
»Es ist nicht einfach ein Lied«, sagte Silenus. »Es ist das
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