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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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und die Orte, an denen sie gehaust haben, sind heute … nun ja …« Er deutete auf die kahle Ödnis, die vor ihnen lag. »Verzehrt. Zusammengeschrumpft zu einer bedeutungslosen Nische der Wirklichkeit, die es nur im Schatten gibt. Heute balanciert die Welt nur noch auf einem kümmerlichen Rest ihres Fundaments. Sie schwebt unsicher im Nichts. Und was übrig ist, könnte ebenfalls verloren gehen, wenn wir zulassen, dass die Wölfe uns einholen und all das verschlingen, für dessen Bewahrung wir unser ganzes Leben geopfert haben. Und wenn du unsere Sache nicht ernst nimmst, dann könnte genau das passieren. Hast du mich verstanden?«
    George nickte.
    »Hast du genug gesehen?«
    »Ja«, sagte George, der nur fort wollte von diesem schrecklichen Ort.
    »Dann lasst uns rasch gehen«, sagte Silenus und machte mit ihnen kehrt. George sah, dass vor ihnen in der Dunkelheit ein kleines, sonderbar geformtes Loch klaffte, durch das er die eingezäunten Grundstücke sehen konnte, die sie gerade hinter sich gelassen hatten. Erst, als sie das Loch erreichten, erkannte er, dass es die Form der roten Mauerecke hatte, eine Erkenntnis, die ihn hinsichtlich der kleinen Lichttunnel, die er in den Klippen gesehen hatte, nachdenklich machte …
    Sie stolperten aus dem Schatten und auf das Fabrikgrundstück. Stanley und George japsten nach Luft, denn die Atmosphäre in dieser abscheulichen Landschaft war zu kalt und zu dünn, um ohne Mühe zu atmen. Silenus schien weniger mitgenommen zu sein: Er sah ganz unbeeindruckt zu, wie die beiden anderen versuchten, wieder zu sich zu kommen, und sagte: »Kommt. Gehen wir zurück in mein Büro.«
    George setzte sich auf, um Schuhe und Socken anzuziehen. Als er das tat, sah er, dass seine Fußsohlen schwarz verbrannt waren, genau wie die von Silenus und Stanley. Er bohrte einen Finger in den Fuß. Es tat nicht weh, aber die Schwärze löste sich auch nicht, als er an seinem Finger leckte und mit dem feuchten Finger am Fuß rieb. Es schien, als wäre sein Fuß durch diesen kurzen Ausflug zu diesem elenden Ort befleckt worden.
    Stanley schenkte ihm ein schwaches Lächeln und schrieb: EINER VON UNS. OB ES DIR GEFÄLLT ODER NICHT.

11
     
    „IHR NAME WAR ALICE CAROLE.“
     
    Obwohl sie inzwischen durch mehrere Städte gereist waren, war Silenus’ Bürotür immer noch bei ihnen. George nahm es als Zeichen seiner Anpassung, dass er auf diese Entdeckung nicht überrascht reagiert hatte. Bis zu einem gewissen Grad hatte er sogar intuitiv damit gerechnet: Ehe sie in den Zug nach Milton gestiegen waren, hatte die ganze Truppe ihre Taschen und Requisiten einfach in das Büro gebracht und dem Anschein nach dort zurückgelassen. Dann, als Silenus die Tür zwischen den Zimmern des Hotels in Milton »entdeckt« hatte (denn die Tür war, so schien es, ein ähnlich launisches Ding wie Kingsleys Kulisse), war hinter ihr derselbe Raum zum Vorschein gekommen, und auch die Taschen hatten noch dort gelegen, wo sie sie abgestellt hatten. Seither war die Tür stets in einem schattigen Wandabschnitt jedes Hotels, in dem sie abgestiegen waren, aufgetaucht. Das Ding musste haufenweise Transportkosten einsparen.
    Nun kauerte George vor Silenus’ antikem, mittelalterlichem Schreibtisch und umklammerte eine Tasse mit heißem Tee. In dem Büro herrschte ein noch größeres Durcheinander als bei seinem letzten Besuch: Bücher und Papiere stapelten sich auf dem Schreibtisch und einigen Stühlen, und etliche Schranktüren standen halb offen. Stanley hatte ebenfalls eine Tasse in der Hand und saß still und griesgrämig auf einem Stuhl vor dem Erkerfenster. Silenus fand Trost in einer Flasche Wein, der süßlich war und furchtbar stank, aber er kippte ihn hinunter wie Wasser. Die Sterne, die durch das Fenster hinter ihm zu sehen waren, hatten sich ein wenig verändert, einige waren größer geworden, andere kleiner, aber George kamen sie jetzt vertrauter vor: Sie erinnerten ihn an die Sterne, die er über der grauen Ödnis im Schatten gesehen hatte.
    Endlich fand George die Kraft, die Frage zu formulieren, die ihm schon seit der Bildvorführung durch den Kopf ging. »Warum ist er gegangen?«
    »Der Schöpfer?«, fragte Silenus.
    George nickte.
    »Tja, zunächst einmal ist das, was du gesehen hast, nur eine Geschichte«, sagte Silenus. »Eine Geschichte, die versucht, etwas viel Größerem auf möglichst einfache Art einen Sinn abzuringen. Deshalb kann sie nicht absolut korrekt sein, aber was mich betrifft, so bin ich geneigt,

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