Silenus: Thriller (German Edition)
Straße in die nächste Bar. Er bestellte einen Drink und setzte sich in der Absicht, zu bleiben, bis er den Zorn und die Demütigung aus seinem Kopf gespült hatte.
Er fühlte sich ziemlich besoffen und hundeelend zudem, als er eine Stimme hinter sich hörte: »So verbringst du also deine freien Tage?«
Er wirbelte herum. Hinter ihm stand Harry und kratzte sich am Kopf.
»Was machst du hier?«, lallte George.
Sein Vater setzte sich zu ihm. »Oh verdammt. Wie viel hattest du schon?«
»Weiß ich nicht. Eine Menge.«
»Er hatte drei Bier«, präzisierte der Mann hinter dem Tresen.
»Oh«, sagte Silenus. »Was klebt da überall an dir?« Dann schnüffelte er und würgte heftig. »Und, verdammt , was ist das für ein Gestank?«
George seufzte und versuchte zu erklären, was an diesem Nachmittag geschehen war. Als er das tat, kam ihm sein eigener Plan plötzlich enorm dumm vor, und er schämte sich für das, was er getan hatte.
»So, du wolltest also fortlaufen«, sagte Silenus.
»Nein!«, rief George. »Das wollte ich nicht. Ehrlich. Ich wollte nur … gucken.«
»Was gucken?«
»Ich weiß auch nicht. Ob ich so gut bin, wie ich geglaubt habe. Es hat sich angefühlt , als wäre ich so gut. Ich dachte, ich könnte es. Aber ich konnte nicht.«
»Hör nicht auf diese Arschlöcher«, sagte Silenus. »Die würden jeden ausbuhen, darauf wette ich. Außerdem, du kommst den Leuten in einem Vaudevillesaal, der in erster Linie eine Fleischerei ist, mit Mendelssohn? Um Himmels willen, da hängen Fleischpreise im Fenster! Das ist das Publikum, das du anstrebst, mein Sohn?«
Zum ersten Mal hatte Silenus ihn als »Sohn« bezeichnet. George schloss die Augen. »Du hattest recht.«
»Recht? Womit hatte ich recht?«
»Ich bin nicht bereit für die Bühne.«
»Ich habe nie gesagt, du wärst nicht bereit«, sagte Silenus. »Ich sagte, wir haben keine Kapazitäten für dich.«
»Ich will so oder so nicht mehr.«
Silenus seufzte. »Hör mal, eines Tages wirst du dort oben sein. Eines Tages werden Stan und ich dich alles lehren, was wir über die Bühne wissen. Wir werden dir Tipps geben und dir all die kleinen Tricks beibringen, mit denen man die Gunst des Publikums erringen kann. Aber bis dahin musst du dir bewusst machen, dass du noch sehr jung bist, George, und vermutlich talentierter, als gut für dich ist. Wäre dies eine gerechte Welt, würdest du all den Ruhm und all die Lobpreisungen einstreichen, die du verdienst. Aber im Moment musst du an das größere Ganze denken. Du musst deinen Kopf unten halten und tun, was ich sage. Ich passe auf dich auf, Junge. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustoßen würde. Okay?«
»Okay.«
»Bist du bereit, zum Hotel zurückzugehen? Du siehst so aus, als wärst du es.«
George nickte, und sein Vater half ihm von seinem Hocker herunter und hielt ihn mit einem Arm aufrecht, als sie zurück zum Hotel taumelten.
»Der Wievielte ist heute?«, wollte George wissen.
»Heute? Ich weiß es nicht. Der zweite März, glaube ich.«
»Das dachte ich mir doch. Das ist mein Geburtstag.«
»Wirklich?«, fragte Silenus. »Mist. Warum hast du denn nichts gesagt?«
»Wahrscheinlich hatte ich zu viele andere Dinge im Kopf.«
»Tja, Teufel auch«, sagte sein Vater und schleppte George grunzend die Stufen zur Eingangstür hinauf. »Herzlichen Glückwunsch, Junge.«
Für eine kurze Zeit schien das Verhältnis zwischen George und seinem Vater viel besser zu sein. Zwar war er nicht besonders glücklich mit seinem Platz in der Truppe, aber für den Moment war er zufrieden damit, einfach das zu tun, was sein Vater ihm sagte. Und Silenus kaufte ihm zum Geburtstag eine Spieluhr und Stanley ein Paar weißer Satinhandschuhe. »Für deinen großen Tag, der irgendwann kommen wird«, stand auf der Grußkarte. Es war schön zu wissen, dass zumindest einer an ihn dachte.
Aber dann, zwei Wochen nach Georges Debakel bei dem Vorspiel, hatte er eine beunruhigende Begegnung. Sie waren gerade in einem neuen Hotel abgestiegen, und George war unten im Restaurant in der Lobby, um sich einen Mitternachtsimbiss zu gönnen, als ein Mann an seinem Tisch stehen blieb und ihn anstarrte.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte George.
»Sie waren der Junge im Smoking«, meinte der Mann. Er war enorm groß und breit und trug einen schlecht sitzenden Anzug. »Habe ich recht?«
»Wie bitte?«
»Ja, das waren Sie«, nickte der Mann und grinste. »Das ist doch gerade ein paar Wochen her, nicht wahr? In Herfeitzs
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