Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
Vom Netzwerk:
überlasse ich Colette«, sagte er und deutete mit einem Nicken über Georges Schulter.
    »Was?«, fragte George, drehte sich um und sah Colette auf sich zukommen. »Oh, hallo, Colette.«
    Sie blieb vor ihm stehen. Ihre Lippen waren in einem prachtvollen Ausdruck des Zähnefletschens erstarrt, ihre Schultern ruckten vor, und dann blitzten für einen Moment Knöchel unter ebenmäßiger brauner Haut auf. Der Raum hinter der Bühne drehte sich um ihn, und im nächsten Moment starrte er zur Decke empor.
    Und am nächsten Abend traf George, nun mit einem blauen Auge, jeden einzelnen Ton.
    Doch sein Groll war nur stärker geworden. Ein einziges Mal hatte er echten Applaus gekostet, damals, als er im Otterman’s vorgespielt hatte. Die ganze Belegschaft hatte ihm, verblüfft über sein Pianospiel, Beifall gespendet. Es war ein herrliches Gefühl gewesen, beinahe, als hielte er die ganze Welt in seiner Hand. Er wünschte sich nichts mehr, als diese Erfahrung zu wiederholen und den Beifall dazu zu nutzen, seinem Vater zu beweisen, was er konnte. Vielleicht würde Silenus ihn dann ebenso sehr in sein Leben aufnehmen wie Colette und Stanley.
    So kam es, dass George an seinem freien Tag am Sonntag einen deutlich schäbigeren Vaudevillesaal aufsuchte (einen, der offenbar werktags als Fleischerei diente) und in seinem neuen Smoking mit den Noten für Mendelssohns erstes Klavierkonzert zum Vorspiel erschien. Natürlich hatte er nicht die Absicht, die Truppe zu verlassen; er wollte nur sich selbst beweisen, dass er konnte, wenn er nur wollte. Und es würde nicht schaden, sollte er noch einmal den donnernden Applaus des Publikums hören, auch wenn es an einem so heruntergekommenen Ort wie diesem war.
    Das Publikum während des Vorspiels war noch schlimmer als in den meisten anderen Theatern. Die Bühne war übersät mit fauligem Obst, mit dem die Künstler beworfen worden waren. George schüttelte lächelnd den Kopf über die armen Narren, bis der falsche Name ausgerufen wurde, den er angegeben hatte.
    Er kletterte auf die Bühne, setzte sich ans Piano und schwelgte in der kalten, unverfälschten Schönheit des Rampenlichts. Dann hustete er in eine Hand, richtete seine Krawatte und fing an zu spielen.
    Er war überzeugt, dass er eine glänzende Vorstellung ablieferte, bedachte man den Zustand des Pianos. Viele Tasten waren verstimmt, und an einigen fehlte das Elfenbein. Und irgendwann fiel ihm auf, dass mit der Akustik etwas nicht stimmte. Da war ein steter, klagender Laut, der sich während seines Spiels immer weiter aufbaute.
    Doch als er eine der Pianissimo -Passagen begann, hörte er, dass es gar kein Klagen war. Es war etwas, das er noch nie zuvor vernommen hatte: Das Publikum buhte . Sein Spiel versiegte, als ihm klar wurde, dass die Buhrufe ihm galten.
    »Was ist los?«, fragte er. »Was soll das?«
    »Du bist furchtbar!«, brüllte ein Mann in der ersten Reihe.
    » Ich bin furchtbar?«, sagte George und lief rot an. » Ihr seid furchtbar.«
    Der Mann in der ersten Reihe entgegnete etwas, doch ehe George dem einen Sinn abringen konnte, klatschte ihm etwas seitlich an den Kopf. Er blinzelte und betastete sein Gesicht und spürte eine widerliche, rote Flüssigkeit an seiner Wange. Zugleich zog der abscheuliche Gestank von etwas Süßem, Vergorenem über die Bühne. Dann sah er etwas neben seinem Fuß, glänzend und von einer runzligen Haut überzogen, leicht pelzig von dem Pilz, der zufrieden das verfaulte Innere vertilgte.
    Georges Gedanken überschlugen sich, und doch war er nicht imstande, eine Verbindung zwischen der Frucht auf der Bühne und dem Ding, das ihn getroffen hatte, herzustellen; geistesabwesend fragte er sich, ob sie schon die ganze Zeit da gewesen war und er nur gerade erst über sie gestolpert war. »Was war das?«, fragte er, doch als er den Kopf hob, sah er, wie eine ganze Reihe von Leuten im Hintergrund aufstand und ganz plötzlich heftige, rasche Bewegungen vollführte, beinahe, als würden sie ihm zuwinken, und dann flog mindestens ein Dutzend weiterer Tomaten in einer stinkenden Woge in die Luft und im hohen Bogen durch das Scheinwerferlicht auf die Stelle zu, an der er saß.
    George wusste nicht recht, wie man auf so eine Erfahrung reagieren sollte. Er war zum ersten Mal in seinem Leben mit einer so überwältigenden Ablehnung konfrontiert worden. Aber er wusste, was sein Vater oft tat, wenn sich ihm ein Hindernis in den Weg stellte, also folgte George seinem Beispiel und ging geradewegs über die

Weitere Kostenlose Bücher