Silo: Roman (German Edition)
keinen Sinn.
Er überprüfte den Schieber an der Seite seines Gewehrs und versuchte, sich die Fünf-Minuten-Einführung,
die sie vor Stunden bekommen hatten, ins Gedächtnis zu rufen. In der Kammer war ein Schuss . Das Gewehr war gespannt . Weitere Patronen warteten im Magazin.
Die Jungs von der
Sicherheit machten sich über seinen Technikjargon lustig. Lukas’ Vokabular war
geradezu explodiert. Er dachte an die Räume unter den Servern, an die Weisung,
an die vielen Bücher, auf die er nur einen Blick geworfen hatte. Sein Hirn
schien allmählich heiß zu laufen.
Er verbrachte noch
eine Minute damit, die Visierlinie zu studieren, am Lauf entlangzusehen über Kimme und Korn . Er zielte auf die Konferenzstühle,
mit denen sie die Tür verbarrikadiert hatten. Er ging davon aus, dass sie
tagelang so warten müssten und dass nichts passieren würde. Es war schon eine
Weile her, dass ein Träger hereingekommen war und die letzte Nachricht
überbracht hatte.
Zur Übung legte er
vorsichtig den Finger an den Abzug . Er versuchte, sich an den Gedanken
zu gewöhnen, dass er daran ziehen und so den Ansturm zurückschlagen sollte, den
Sims ihnen angekündigt hatte.
Bobbie Milner – ein
Schatten, der höchstens sechzehn war – machte neben ihm einen Witz, und Sims
fuhr sie beide an, sie sollten verdammt noch mal die Klappe halten. Lukas
protestierte nicht, weil er unschuldig in die Ermahnung mit einbezogen worden
war. Er sah zur Sicherheitstür, wo Peter Billings, der neue Sheriff des Silos,
an seiner kleinen Pistole herumfummelte. Hinter dem Sheriff stand Bernard und
gab seinen Männern Anweisungen. Bobbie Milner rutschte unruhig neben Lukas auf
seinem Platz herum und suchte nach einer bequemeren Position.
Warten. Noch mehr
Warten. Sie alle warteten.
Hätte Lukas gewusst,
was ihm noch bevorstand, dann hätte ihm das Warten nichts ausgemacht. Dann
hätte er darum gebettelt, bis in alle Ewigkeit warten zu dürfen.
* * *
Knox
führte seine Gruppe durch die Sechziger. Sie blieben nur ein paarmal kurz
stehen, um etwas Wasser zu trinken, ihr Gepäck zu sichern oder die Schnürsenkel
neu zu binden. Sie kamen an neugierigen Trägern vorbei, die ganz genau wissen
wollten, wohin sie gingen und was es mit der Stromsperre auf sich hatte. Sie
gaben bereitwillig Auskunft und gaben acht, dass die Träger hinterher nicht
schlauer waren als vorher. Oder zumindest hofften sie das.
Pieter hatte recht
gehabt: Die Treppe brummte. Sie vibrierte, weil zu viele Stiefel darauf
marschierten. Wer seine Wohnung im oberen Bereich hatte, ging nun noch weiter
hinauf, weg von der Stromsperre und dorthin, wo es noch Strom, warmes Essen und
heiße Duschen gab. Gleichzeitig machten Knox und seine Leute hinter ihnen
mobil, um die Macht zu übernehmen.
Im
Sechsundfünfzigsten wurde es zum ersten Mal schwierig. Vor der Hydrokulturfarm
stand eine Gruppe Farmer und ließ ein Bund Kabel über das Geländer zum
darunterliegenden Stockwerk hinunter. Als die Farmer die blauen Overalls der
Mechanik sahen, rief einer von ihnen: »Hey, was soll das, wir füttern euch, und
ihr dreht uns den Strom ab!«
»Fragt die IT«, antwortete Marck, der an der Spitze ihrer Gruppe
ging. »Die sind für die Kurzschlüsse zuständig. Wir tun, was wir können.«
»Dann macht mal ein
bisschen schneller«, sagte der Farmer. »Ich dachte, wir hätten gerade eine
Stromsperre gehabt, damit so ein Scheiß nicht mehr vorkommt.«
»Spätestens gegen
Mittag läuft wieder alles«, sagte Shirly.
Knox und die anderen
holten auf, und es bildete sich ein Stau auf dem Absatz.
»Je schneller wir da
hochkommen, desto schneller habt ihr wieder Saft«, erklärte Knox. Er versuchte,
sein Gewehr unauffällig zu halten, als wäre es bloß irgendein Werkzeug.
»Könnt ihr uns
wenigstens kurz mit der Leitung helfen? Im siebenundfünfzigsten Stock haben sie
heute Vormittag noch Strom gehabt. Wir würden gern wenigstens die Pumpen am
Laufen halten.« Der Farmer zeigte auf die Kabelstränge, die über das Geländer
hingen.
Knox dachte nach.
Was der Mann da wollte, war theoretisch illegal. Deswegen einen Streit mit ihm
zu beginnen, hätte nur unnötig Zeit gekostet, aber ihn zu sehr zu unterstützen,
wäre verdächtig gewesen. Er wusste, dass McLains Truppe ein paar Stockwerke
über ihnen war und auf sie wartete. Tempo und Timing waren alles.
»Ich kann Ihnen zwei
Mann hierlassen. Um Ihnen den Gefallen zu tun. Solange es hinterher nicht
heißt, die Mechanik hätte damit irgendwas zu tun
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