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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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viele Korridore
und Räume, die vielleicht, vielleicht aber auch nicht geflutet waren. Aber sie
konnte die Höhe des Schachts von Solos Füßen bis zur Sicherheitsschranke
abschätzen. Die einsame Pumpe hatte den Wasserpegel in zwei Wochen um knapp
zwanzig Zentimeter abgesenkt. Sie hatten noch achtzehn, zwanzig Meter vor sich.
Mit einer weiteren Pumpe würden sie in etwa einem Jahr den Eingang des
Maschinenraums erreichen. Je nach der Wassermenge in den dazwischenliegenden
Stockwerken würde es womöglich noch wesentlich länger dauern. Und um das Wasser
aus der Mechanikabteilung selbst zu pumpen, würden sie noch drei- bis viermal
mehr Zeit brauchen.
    »Also, was ist mit
einer zweiten Pumpe?«, fragte Solo.
    Juliette wurde
schlecht. Selbst mit drei kleinen Pumpen aus den Hydrokulturgärten und mit drei
weiteren Rohrbündeln und den entsprechenden Verkabelungen hätten sie ein,
vielleicht auch zwei Jahre vor sich, bevor der Silo wieder ganz trocken wäre.
Sie wusste nicht, ob sie noch ein Jahr Zeit hatte. Nach nur wenigen Wochen in
dem verlassenen Silo, allein mit diesem gestörten Mann, hörte sie schon
Stimmen, sie verlegte Dinge, sie sah Lampen brennen, von denen sie sicher war,
dass sie sie ausgeschaltet hatte. Entweder sie wurde verrückt, oder Solo machte
sich einen Spaß daraus, sie an der Nase herumzuführen. Und wenn sie volle zwei
Jahre so leben würde – fernab ihres eigenen Silos, der gleichzeitig nah und
unerreichbar war …
    Sie beugte sich über
den Handlauf, als müsse sie sich wirklich übergeben. Als sie auf das Wasser
hinunterblickte und ihr Spiegelbild im Ölfilm sah, zog sie plötzlich Gefahren
in Erwägung, die noch wesentlich verrückter waren als ein Leben in der
Einsamkeit dieses Silos.
    »Zwei Jahre«, sagte
sie zu Solo. Es klang wie ein Todesurteil. »Zwei Jahre. So lange würden wir
brauchen, wenn wir insgesamt drei Pumpen einsetzen würden. Ein halbes Jahr
brauchen wir allein für das Treppenhaus, der Rest geht dann noch langsamer.«
    »Zwei Jahre!«,
trällerte Solo. »Zwei Jahre! Zwei Jahre!« Er drehte sich um seine eigene Achse
und strahlte sie an: »Das ist doch gar nichts!«
    Juliette hatte Mühe,
ihre Frustration zu verbergen. Zwei Jahre waren eine Ewigkeit. Und außerdem – was würden sie dort unten vorfinden? In welchem Zustand wäre der
Hauptgenerator? Oder die Bohrer? Eine Maschine wurde in Süßwasser konserviert,
solange keine Luft eindrang. Aber sobald sie die Pumpen freilegen würde, würden
sie rosten. Es sei denn, die Maschinen und Werkzeuge würden sofort getrocknet
und geölt werden. Aber da sie nur zu zweit waren …
    Juliette sah
angewidert zu, wie Solo sich bückte, den Fettfilm zu seinen Füßen beiseiteschob
und zwei Hände voll Wasser aus dem brackigen Schlamm schöpfte. Er schlürfte
laut und genussvoll.
    Gut, dachte sie
sich, letztendlich würde es nur einen geben, der fleißig an der Bergung der
Maschinen arbeitete, und das war sie selbst.
    Vielleicht konnte
sie zumindest das Notstromaggregat retten. Das würde weniger Arbeit erfordern
und trotzdem eine Menge Energie liefern.
    »Also, was haben wir
in diesen zwei Jahren zu tun?« Solo wischte sich mit dem Handrücken den Bart ab
und sah sie an.
    »Wir warten keine
    zwei Jahre.« Die letzten drei Wochen in Silo 17 waren schon zu viel gewesen.
Aber das sagte sie nicht.
    »Okay«, sagte er
achselzuckend. Mit seinen zu großen Stiefeln trampelte er die Treppe hinauf.
Auch sein grauer Anzug war zu weit, er sah aus wie ein kleiner Junge, der die
Kleider seines Vaters trug. Er stellte sich neben Juliette auf den
Treppenabsatz und lächelte sie durch seinen glitzernden Bart hindurch an. »Du
siehst so aus, als hättest du noch weitere Projekte im Kopf!«, sagte er
glücklich.
    Sie nickte
schweigend. Alles, was sie hier taten, ob sie nun die defekten Leitungen oder
ein Vorschaltgerät reparierten oder ob sie die Felder bestellten – all das
nannte Solo »Projekt«. Und er »liebte« Projekte. Vermutlich war es ein Relikt
aus seiner Jugend, eine Überlebensstrategie, die er mit den Jahren entwickelt
hatte und die es ihm ermöglichte, alles, was er tat, mit einem Lächeln
anzupacken anstatt mit dem Grauen der Einsamkeit.
    »Oh ja, und ob wir
noch ein Projekt vor uns haben.« Juliette grauste es schon davor. Sie begann,
im Kopf eine Liste der Werkzeuge und Ersatzteile zusammenzustellen, die sie
beim Abstieg zusammensammeln mussten.
    Lachend klatschte
Solo in die Hände. »Gut! Dann zurück in die Werkstatt.« Mit

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