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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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Wasser über ihr glomm lindgrün und sah einladend
aus – sie musste nicht mehr blind voranwaten, ihr Helm würde nicht mehr ständig
gegen eine Wand prallen.
    Ihr Arm verfing sich
kurz in dem Kabel. Sie schüttelte ihn frei und zog sich in Richtung der hohen
Wassersäule, dieses gigantischen gefluteten Strohhalms, der versunkenen
Wendeltreppe.
    Doch bevor sie die
Treppe erreichte, bekam sie ihren ersten Krampf, es war wie ein Schluckauf – ein automatisches, krampfhaftes Schnappen nach Luft. Die Versuchung, den Helm
abzuziehen und einen tiefen Zug Wasser zu nehmen, war überwältigend.
Irgendetwas sagte ihr, dass sie das Wasser einatmen könnte. Versuch’s einfach!,
sagte das Etwas. Eine Lunge voll Wasser.
    Ihre Luftröhre
verkrampfte sich, sie zog sich hustend zur Treppe. Da war die Führungsleine, am
Boden gehalten von dem Schraubenschlüssel. Sie schwamm darauf zu, wusste aber,
dass es zu spät war. Als sie daran zog, spürte sie, dass er oben nicht mehr
befestigt war – das lose Ende des Taus wirbelte in Spiralen auf sie zu.
    Sie trieb nur
langsam aufwärts, in ihrem Anzug war nur noch sehr wenig Druck. Wieder ein
Krampf im Hals. Der Helm musste weg! Ihr war schwindelig, sie würde bald
ohnmächtig werden.
    Sie tastete nach den
Schnallen an ihrem Metallkragen. Mit aller Macht überkam sie ein
Déjà-vu-Erlebnis. Sie erinnerte sich an die Suppe, den Fäulnisgeruch und wie
sie aus der dunklen Kühlkammer gekrochen war. Sie erinnerte sich an das Messer.
    Sie klopfte ihre
Brust ab und spürte den Griff, der aus der Scheide ragte. Ein paar Werkzeuge
waren aus den Taschen gerutscht, sie baumelten an den Schnüren, die sie daran
angebracht hatte, damit sie nicht verloren gingen. Inzwischen waren diese
Werkzeuge ein unnötiger Ballast, ein weiteres Gewicht, das Juliette
hinunterzog.
    Langsam trieb sie
die Treppe hinauf, sie zitterte vor Kälte und wand sich unter den Krämpfen
ihrer Lunge. Sie hatte kein Gefühl mehr dafür, wo sie war. Sie zielte mit dem
Messer auf die erste Schnalle im Kragen und riss an ihrem Helm.
    Ein Klicken, ein
kleiner Schwall kaltes Wasser traf ihren Nacken. Ein schwaches Bläschen drang
aus ihrem Anzug ins Freie und schwebte an ihrem Visier vorbei. Sie tastete nach
der anderen Schnalle, schob das Messer darunter, und der Helm sprang weg, Wasser
spülte über ihr Gesicht und füllte ihren Anzug. Das Wasser war betäubend kalt,
Juliette war wie im Schock und sank dorthin zurück, woher sie gekommen war.
    * * *
    Die
beißende Kälte brachte Juliette schlagartig zur Besinnung. Sie blinzelte in das
brennende grüne Wasser und sah das Messer in ihrer Hand. Ihr Helm rollte durch
die Brühe wie eine Luftblase, die in die falsche Richtung trieb. Juliette sank
ihr langsam hinterher, ohne Luft in den Lungen, über ihr eine Wassersäule von
unzähligen Metern.
    Sie schob das Messer
in die Tasche an ihrem Overall. Sie sah die Schraubenschlüssel und
Schraubenzieher an ihren Schnüren hängen, sie trat nach dem Atemschlauch, der
hinauf an die Oberfläche führte.
    Luftblasen strömten
aus ihrem Kragen, vorbei an ihrem Hals und durch ihr Haar. Juliette packte den
Schlauch und bremste ihren Fall, sie zog sich nach oben, ihr Rachen schrie nach
Luft, nach Wasser, nach irgendwas. Der Drang zu schlucken war unwiderstehlich.
Sie zog sich immer weiter hinauf – und sah an der Unterseite der Stufen ein
Licht der Hoffnung schimmern.
    Luftblasen.
Vielleicht noch von ihrem Abstieg. Sie rollten in etwa handtellergroßen Taschen
in den Mulden unterhalb der Stufen umher.
    Juliette machte ein
kehliges Geräusch, ein kruder Schrei der Verzweiflung, der Todesanstrengung.
Sie ruderte sich durchs Wasser, kämpfte gegen das Gewicht des Overalls an und
packte den Handlauf der versunkenen Treppe. Sie zog sich hinauf, stieß sich mit
den Füßen vom Geländer ab und schaffte es bis zum nächsten Aufblitzen der Luftblasen.
Sie packte die Kante der Stufe und schob ihren Mund direkt an die Unterseite.
    Sie machte einen
verzweifelten Atemzug und atmete dabei eine Menge Wasser ein. Sie drehte den
Kopf von der Stufe weg und hustete ins Wasser. Sie hätte fast eine Lunge voll
Wasser geschluckt. Ihr Herz raste, es sprang ihr fast aus der Brust. Wieder war
ihr Gesicht an der rostigen Unterseite der Stufe, ihre Lippen schürzten sich
zitternd, versuchten, ein wenig Luft zu trinken.
    Die Lichtblitze vor
ihren Augen wurden weniger. Wieder senkte sie den Kopf und atmete aus, sah zu,
wie die Blasen ihrer Atemluft aufstiegen, dann

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