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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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wir
kommen.«
    Sie durchquerten den
Verkehr auf dem Stockwerk der Säuglingsstation und ruhten sich kurz aus. Als
Marnes ihr seine Feldflasche reichte, trank Jahns einen großen Schluck und
überprüfte dann ihre Frisur in der gerundeten und verbeulten Oberfläche.
    »Du siehst gut aus«,
sagte Marnes.
    »Bürgermeisterlich?«
    Er lachte.
»Mindestens.«
    Jahns meinte, ein
Blitzen in seinen alten braunen Augen zu sehen, aber wahrscheinlich wurde nur
das Licht von der Feldflasche zurückgeworfen, als er sie an den Mund setzte.
    »Zwanzig Stockwerke
in gut zwei Stunden. Das Tempo ist für Leute in unserem Alter eigentlich nicht
empfehlenswert, aber schön, dass wir schon so weit sind.« Er wischte sich den
Schnauzer ab und griff nach hinten, um die Feldflasche wieder in seinen
Rucksack zu stecken.
    »Gib her«, sagte
Jahns. Sie nahm ihm die Flasche ab und steckte sie in die Vordertasche seines
Rucksacks. »Und überlass mir das Sprechen da drinnen«, erinnerte sie ihn.
    Marnes hob abwehrend
die Hände, als sei ihm nie im Leben etwas anderes in den Sinn gekommen. Er trat
an ihr vorbei und zog eine der schweren Metalltüren auf, aber das übliche
Geräusch rostiger Scharniere blieb aus. Die Stille verblüffte Jahns. Sie war
das Quietschen der alten Türen treppauf, treppab gewohnt. Aber diese Scharniere
waren in Öl getränkt, und die Schilder an den Wänden des Wartezimmers
verstärkten den gepflegten Eindruck. Sie verlangten in Großbuchstaben Stille – es gab Bilder von Fingern, die sich über einen Mund legten, und rote Kreise mit
durchgestrichenen offenen Mündern. Auf der Säuglingsstation wurde die Stille
offenbar ernst genommen.
    »Kann mich gar nicht
erinnern, dass hier letztes Mal auch schon so viele Schilder hingen«, flüsterte
Marnes.
    »Vielleicht hast du
damals zu viel gequasselt«, sagte Jahns, »und sie haben sie dann erst
aufgehängt.«
    Eine
Krankenschwester starrte sie durch eine Glasscheibe an, und Jahns gab Marnes
einen Stoß mit dem Ellbogen.
    »Mayor Jahns, ich
möchte zu Peter Nichols«, sagte sie zu der Frau.
    Die Frau hinter der
Scheibe blinzelte nicht einmal. »Ich weiß, wer Sie sind. Ich habe Sie gewählt.«
    »Oh, verstehe.
Vielen Dank!«
    »Wenn Sie bitte hier
herumkommen würden.« Die Frau drückte auf einen Knopf auf ihrem Tisch, und die
Tür neben ihr summte. Marnes drückte sie auf, Jahns folgte ihm.
    »Wenn Sie die hier
anziehen würden.«
    Die Schwester – Margaret, laut einem handgeschriebenen Schild an ihrem Kragen – hielt ihnen
zwei akkurat gefaltete weiße Kittel hin. Jahns nahm sie ihr ab und reichte
einen an Marnes weiter.
    »Ihre Taschen können
Sie bei mir lassen.«
    Jahns spürte sofort,
dass sie jetzt in der Welt dieser deutlich jüngeren Frau waren, dass sie
Margaret gehorchen mussten, nachdem sie einmal durch die leise summende Tür
getreten waren. Die Bürgermeisterin lehnte ihren Spazierstock an die Wand,
stellte ihren Rucksack auf den Boden und zog den Kittel an. Marnes kämpfte mit
seinem, bis Margaret ihm hineinhalf. Er zog den Kittel über sein Jeanshemd und
hielt die Enden des langen Gürtels fest, als könne er sich beim besten Willen
nicht erklären, was damit anzufangen sei. Er schaute zu, wie Jahns ihren Gürtel
zuband, und verknüllte seinen dann gerade so, dass der Kittel einigermaßen
zusammenhielt.
    »Was ist?«, fragte
er, weil Jahns ihn beobachtete. »Für so was habe ich Handschellen. Ich habe
halt nie gelernt, wie man einen Knoten macht, na und?«
    »In den ganzen
sechzig Jahren nicht«, sagte Jahns.
    Margaret drückte auf
einen anderen Knopf und zeigte den Flur hinunter. »Dr. Nichols ist auf der
Station. Ich sage ihm Bescheid.«
    Jahns ging voran,
Marnes folgte ihr und fragte: »Was ist daran so schwer zu glauben?«
    »Eigentlich finde
ich es ganz süß.«
    Marnes schnaubte.
»Was für ein grauenhaftes Wort für einen Mann in meinem Alter.«
    Jahns schmunzelte.
Am Ende des Ganges hielt sie vor einer Doppeltür kurz inne, dann schob sie die
eine Seite ein Stückchen auf. In dem Raum dahinter war das Licht gedämpft. Sie
öffnete die Tür weiter, und sie betraten ein spärlich eingerichtetes, aber sauberes
Wartezimmer. Sie erinnerte sich an einen ähnlichen Raum in den mittleren
Stockwerken, in dem sie mit einer Freundin zusammen auf deren Kind gewartet
hatte. Jahns sah durch eine Glasscheibe in ein Zimmer, in dem ein paar
Kinderbettchen und Wiegen standen. Ihre Hand wanderte intuitiv an ihre Hüfte.
Sie rieb den harten Knoten an der Stelle, wo

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