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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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war
eigenartig, hier mit diesem Mann zu sitzen. In seiner Gegenwart fühlte sich
Juliette jünger und irgendwie sicherer. Zumindest weniger einsam. Sie nahm an,
dass auch er ein Einzelgänger war – wie sie eine Unterlegscheibe, zu der keine
Schraube passte. Während er hier oben nach den Sternen Ausschau gehalten hatte,
war sie in ihrer wenigen Freizeit am entgegengesetzten Ende des Silos durch die
Minen gelaufen und hatte nach schönen Steinen gesucht.
    »Das scheint mir
heute keine sonderlich ergiebige Nacht zu werden«, sagte sie schließlich und
richtete sich auf ihrem Stuhl auf.
    »Ach, ich weiß nicht … Kommt darauf an, wonach man auf der Suche ist.«
    Sie lächelte.
    Am anderen Ende des
großen Raumes piepste ganz leise der Rechner auf ihrem Tisch – das Suchprogramm
hatte Holstons Dateien durchkämmt und die Ergebnisse ausgespuckt.

23. KAPITEL
    Anstatt
zu ihrem Büro hinaufzusteigen, ging Juliette am nächsten Morgen zuerst einmal
fünf Stockwerke hinunter zu Marnes’ Beerdigung in der oberen Farmanlage. Über
ihren Stellvertreter gab es keine Akte, zu seinem Tod würden keine Ermittlungen
eingeleitet werden. Sein alter, müder Körper wurde einfach in die Erde
hinabgesenkt, wo er verwesen und die Wurzeln düngen würde. Es war ein bisschen
seltsam – hier in der Menge zu stehen und an Marnes als Akte oder Nichtakte zu
denken.
    Die Trauerfeier
dauerte lange, aber die Zeit ging schnell vorbei. An der Stelle, wo Jahns
begraben worden war, war die Erde noch immer zu einem kleinen Hügel
aufgeworfen. Bald würden die Körper der beiden sich auflösen, in den Boden
übergehen, sich vereinen und von den Pflanzen aufgenommen werden, und diese
Pflanzen schließlich würden die Bewohner des Silos ernähren.
    Juliette nahm eine
reife Tomate vom Priester entgegen, der mit seinem Adepten durch die dichte
Menschenmenge schritt. Beide waren in rote Soutanen gehüllt und sangen, während
sie an ihr vorbeigingen, ihre Stimmen waren volltönend und ergänzten einander.
Juliette biss in die Frucht – ein kleiner Spritzer Saft landete auf ihrem
Overall –, kaute und schluckte. Die Tomate war herb und aromatisch, sie
wirklich zu genießen fiel ihr jedoch schwer.
    Als dann die Erde
wieder ins Grab geschaufelt wurde, beobachtete Juliette die Leute. Zwei
Menschen aus den oberen Stockwerken waren innerhalb weniger Tage gestorben.
Zudem hatte es auch weiter unten im Silo zwei Tote gegeben, es war eine
schlechte Woche gewesen.
    Oder eine gute – je
nachdem, wer man war. Juliette sah kinderlose Paare, die kräftig in ihre Frucht
bissen, Händchen haltend dastanden und sich im Stillen vermutlich ihre Chancen
ausrechneten. Für Juliettes Geschmack folgten die Lotterien zu knapp auf die
Todesfälle. Sie war schon immer der Meinung gewesen, dass die Auslosung jedes
Jahr am selben Tag abgehalten werden sollte, damit es so aussah, als würde sie
ohnehin stattfinden, ganz egal, ob jemand gestorben war oder nicht.
    Letztendlich wurden
die reifen Früchte während der Zeremonie direkt von den Gräbern gepflückt,
um  unmissverständlich klarzumachen: Dies
war der Kreislauf des Lebens, der Tod war unausweichlich, man musste ihn
akzeptieren, ehren und würdigen. Ein Mensch verließ die Gemeinschaft und
hinterließ das Geschenk seiner Nährstoffe, das Geschenk des Lebens. Die Toten
machten Platz für die nächste Generation. Man wurde geboren, wurde als Schüler
zum Schatten eines anderen, dann nahm man selbst einen Schatten an und
verabschiedete sich irgendwann. Man konnte bestenfalls darauf hoffen, dass sich
zwei Schatten später noch jemand an einen erinnerte.
    Bevor die Grube ganz
gefüllt war, trat die Trauergemeinde an den Rand des Feldes und warf die
angegessenen Früchte in das Loch. Auch Juliette fügte ihren Tomatenrest dem
bunten Hagel aus Schalen und Strünken hinzu. Ein Messdiener lehnte sich auf
seine Schaufel und sah zu, wie die letzte Frucht hineinfiel. Was
danebengeplumpst war, schaufelte er zusammen mit etwas dunkler,
nährstoffreicher Erde hinein und schüttete dann einen Hügel auf, der sich mit
der Zeit und nach einigen Wässerungen absenken würde.
    Nach dem Begräbnis
stieg Juliette zu ihrem Büro hinauf. Sie spürte die vielen Stockwerke in den
Beinen, obwohl sie eigentlich stolz auf ihre Kondition war. Sie fand die ständige
Kletterei unnatürlich, Menschen waren nicht für diese Art der Bewegung gemacht.
Sie bezweifelte sogar, dass es gesund war, mehr als nur eine einzige Etage pro
Tag hinter sich zu

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