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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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nicht.
    »Ja?«
    »Ich wusste, dass es
heute Nacht zu viele Wolken geben würde. Aber ich bin trotzdem hochgekommen.«
    Juliette vertraute
darauf, dass die Dunkelheit ihr Lächeln verbarg.
    »Ich bin nicht
sicher, ob es im Silovertrag einen Paragrafen gibt, der diese Art doppeltes
Spiel unter Strafe stellt.«
    Lukas lachte.
Seltsam, wie vertraut er ihr schon war und wie sehr sie auf sein Lachen
gewartet hatte. Juliette hätte am liebsten ihr Kinn an seinem Hals vergraben,
fast konnte sie schon spüren, wie ihr Körper die einzelnen Bewegungen
ausführte. Es durfte niemals geschehen. Es war nur die Einsamkeit, die sie so
anlehnungsbedürftig machte, das Grauen, Marnes’ in den Armen gehalten zu haben,
das gespenstische Gewicht eines Körpers gespürt zu haben, aus dem alles Leben
gewichen war. Sie sehnte sich nach einem zwischenmenschlichen Kontakt, und
dieser Fremde war die einzige Person, die sie zwar nicht gut, aber immerhin so
gut kannte, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte.
    »Wie geht es jetzt
weiter?«, fragte er.
    Fast wäre Juliette
ein »Zwischen uns?« herausgerutscht, Lukas bewahrte sie jedoch vor dieser
Peinlichkeit, indem er nachschob: »Weißt du, wann die Trauerfeier stattfindet?«
    Sie nickte im
Dunkeln.
    »Morgen. Es gibt
keine Familie, die erst heraufkommen müsste, es finden keine Ermittlungen
statt. Und er hat kein Testament hinterlassen, also hat man mich mit der
Organisation beauftragt. Ich habe beschlossen, dass er seine letzte Ruhe neben
Mayor Jahns finden soll.«
    Lukas blickte auf
den Bildschirm. Es war so dunkel, dass man die Leichen der Verurteilten nicht
sehen konnte – zum Glück nicht. »Eine schöne Idee.«
    »Ich glaube, die
beiden haben sich heimlich geliebt. Und wenn nicht geliebt, dann haben sie sich
zumindest sehr nahegestanden.«
    »Es gab
entsprechende Gerüchte«, stimmte Lukas zu. »Aber ich verstehe nicht, warum sie
ihre Liebe geheim gehalten haben. Niemand hätte sich daran gestört.«
    »Vielleicht hätte es
die beiden selbst gestört, wenn die Leute es gewusst hätten«, dachte sie laut.
»Jahns ist vorher schon mal verheiratet gewesen, und vermutlich haben sie sich
aus Respekt vor ihrer ersten Ehe zurückgehalten.«
    »Meinst du?« Lukas
kritzelte etwas aufs Papier. Juliette blickte auf, war sich aber sicher, dass
draußen kein Stern zu sehen gewesen war. »Ich könnte mir das nicht vorstellen,
so in aller Heimlichkeit zu lieben«, sagte er.
    »Ich kann mir nicht
einmal vorstellen, auf jemanden warten zu müssen – sei es wegen des
Silovertrags oder weil die Eltern meines Partners noch ein Wörtchen mitreden
wollen«, gab Juliette zurück.
    »Aber wie soll es
sonst funktionieren? Einfach zwei beliebige Menschen, die sich zu jeder
beliebigen Zeit verlieben dürfen?«
    Juliette sagte
nichts.
    »Und außerdem, wenn
man sich heimlich liebt, wie soll man dann an der Lotterie teilnehmen?«, fragte
er. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine Beziehung aussehen soll, die nicht
öffentlich ist. Am Ende ist es doch vor allem eine Zeremonie, ein Ritual. Ein
Mann fragt den Vater der Frau um Erlaubnis …«
    »Hm. Bist du mit
jemandem zusammen?«, fiel Juliette ihm ins Wort. »Ich meine …, ich frage, weil
du so klingst, als hättest du ziemlich feste Überzeugungen, ohne tatsächlich …«
    »Noch nicht.« Wieder
bewahrte er Juliette vor einer Äußerung, die vielleicht zu weit gegangen wäre.
»Ich brauche meine ganze Kraft, um mit meiner Mutter zurechtzukommen. Sie
erinnert mich jedes Jahr wieder daran, wie viele Lotterien ich schon verpasst
habe. Ständig muss ich mir anhören, dass sie noch immer keine Enkelkinder hat.
Als würde ich mir selbst keine Gedanken machen! Aber was soll’s, ich bin ja
erst fünfundzwanzig, da kann noch viel passieren. Und du?«
    Fast hätte sie ihm
alles erzählt, hätte ihr Geheimnis endlich verraten. Als hätte sie diesem Mann,
diesem fremden Jungen vertrauen können.
    »Ich habe den
Richtigen noch nicht gefunden.«
    Lukas lachte. »Ich
wollte eigentlich nur wissen, wie alt du bist. Oder fragt man das nicht?«
    Juliette musste ebenfalls
lachen. »Vierunddreißig. Und ich habe gehört, es ist tatsächlich unhöflich,
nach dem Alter einer Frau zu fragen. Wobei ich noch nie fand, dass man sich
zwingend an die Regeln halten muss.«
    »Und das sagt unser
neuer Sheriff!«
    Juliette lächelte.
»Ich glaube, an den Job muss ich mich erst gewöhnen.«
    Sie sahen wieder zum
Wandmonitor, beide genossen das Schweigen, das sich nun ausbreitete. Es

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