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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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überhaupt angenommen hatte, es
vielleicht mit sich bringen würde, dass dies nicht die letzte Leiche war.

22. KAPITEL
    Nachdem
Juliette die nötigen Formulare ausgefüllt und herausgefunden hatte, dass Marnes
keine nächsten Angehörigen hatte, nachdem sie in der landwirtschaftlichen
Anlage mit dem Leichenbeschauer gesprochen und die Fragen der neugierigen
Nachbarn beantwortet hatte, konnte sie endlich einen langen, einsamen
Spaziergang die acht Stockwerke hinauf in ihr leeres Büro machen.
    Den Rest des Tages
bekam sie wenig zustande, die Tür zur Kantine stand offen, der kleine Raum war
voller Geister. Wiederholt versuchte sie, sich auf die Dateien zu konzentrieren,
die Scottie ihr von Holstons Rechner kopiert hatte, aber Marnes’ Abwesenheit
war um vieles trauriger, als seine – ebenfalls nicht sonderlich fröhliche – Anwesenheit zuvor es je gewesen war. Sie konnte nicht glauben, dass er tot war.
Sie empfand es fast als Beleidigung, dass man sie hierhergebracht und dann so
plötzlich allein gelassen hatte, auch wenn sie wusste, dass dieser Gedanke
egoistisch war.
    Immer wieder blickte
sie durch die Tür und sah, wie in der Kantine die Wolken über den Wandmonitor
zogen. Sie stritt mit sich selbst, ob die Wolken leicht oder schwer wirkten und
ob sich die heutige Nacht zur Sternenbeobachtung eignen würde. Sie fühlte sich
überwältigend einsam, sie, die sich immer damit gebrüstet hatte, niemanden zu
brauchen.
    Sie stöberte noch
eine Weile in dem Dateiengewirr, während das Licht der unsichtbaren Sonne
schwand und zwei Mittag- sowie zwei Abendessensschichten um sie herum lärmten
und wieder verschwanden. Immer wieder blickte sie in den bewegten Himmel und
hoffte, ohne einen wirklich logischen Grund, auf ein weiteres Zusammentreffen
mit dem seltsamen Sternenjäger vom Abend zuvor.
    Und wieder vergaß
Juliette, sich selbst einen Bissen zu holen. Erst als das Personal der zweiten
Schicht sich zum Feierabend verabschiedete und die Lampen auf ein Viertel der
Leuchtkraft heruntergedimmt wurden, kam Pam mit einem Teller Suppe und
Zwieback. Juliette bedankte sich und suchte in ihrem Overall nach ein paar
Marken, aber Pam winkte ab. Die Augen der jungen Frau, rot verweint, wanderten
zu Marnes’ leerem Stuhl. Selbst die Kantinenmitarbeiter hatten dem Deputy
persönlich nahegestanden.
    Pam ging ohne ein
Wort, und Juliette aß mit dem wenigen Appetit, den sie aufbringen konnte. Sie
überlegte, ob sie eine Suche in Holstons Daten starten könnte, ob es eine
umfassende Suchfunktion gab, die ihr ein paar Namen oder Hinweise liefern
würde. Als sie schließlich herausgefunden hatte, wie das Programm
funktionierte, war ihre Suppe kalt. Der Rechner begann, sich durch die
Datenmengen zu pflügen. Sie nahm ihren Teller und ein paar Ordner und verließ
das Büro, um sich an einen der Tische neben dem Wandmonitor in der Kantine zu
setzen.
    Sie hielt bereits
nach Sternen Ausschau, als Lukas auftauchte. Er sagte nichts, er zog nur einen
Stuhl heran, setzte sich mit seinem Brett und seinem Papierbogen hin und spähte
hinaus in die dämmernde Außenwelt.
    Juliette wusste
nicht, ob er ihr Schweigen aus Höflichkeit respektierte oder ob er sie
ignorierte. Sie entschied sich schließlich für Ersteres, denn die Stille wirkte
ganz natürlich, ein geteiltes Schweigen, Ruhe am Ende eines schrecklichen
Tages.
    Ein paar Minuten
vergingen. Vielleicht zehn. Es waren keine Sterne zu sehen, es gab nichts zu
sagen. Ein Geräusch auf der Treppe – ein lachendes Grüppchen, das sich irgendwo
zwischen den Wohnetagen bewegte, dann war es wieder still.
    »Es tut mir leid
wegen deines Partners«, sagte Lukas schließlich. Er strich das Papier auf dem
Brett glatt. Er hatte noch keinen einzigen Punkt eingezeichnet und auch keine
Notiz gemacht.
    »Danke für deine
Anteilnahme«, sagte sie und war sich nicht sicher, ob ihre Antwort die richtige
war. Sie klang zumindest nicht falsch.
    »Ich habe nach den
Sternen Ausschau gehalten, habe aber keine gesehen«, fügte sie hinzu.
    »Wirst du heute
Nacht auch nicht.« Er deutete mit der Hand in Richtung Monitor. »Das sind die
schlimmsten Wolken überhaupt.«
    Juliette blickte
angestrengt hinaus, konnte im letzten Glimmen der Dämmerung aber kaum etwas
erkennen. Für sie sahen die Wolken nicht anders aus als sonst.
    »Ich muss ein
Geständnis ablegen, du vertrittst ja schließlich das Gesetz …«
    Juliette berührte
den Stern an ihrer Brust. So ganz verinnerlicht hatte sie ihren neuen Posten
noch

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