Silver Dragons 02 - Viel Rauch um Nichts-neu-ok-26.12.11
verächtlich
die Lippen. »Ich werde sie töten für das, was sie mir angetan hat.«
»Das glaube ich nicht«, sagte ich und schob ihre
Hand weg.
»Du wirst sie nicht nur mit Respekt behandeln, du
wirst auch den Krieg gegen die grünen Drachen beenden. Es sei denn, du willst
bis ans Ende deiner Tage Baels Gast sein.«
Widerstreitende Emotionen huschten über ihr
Gesicht. Wut, Ungläubigkeit, gefolgt von Misstrauen und schließlich ein kalter,
berechnender Ausdruck, der vermuten ließ, dass sie ihr Verlangen, Abbadon zu
verlassen, gegen ihren Wunsch, den Krieg fortzuführen, abwägte.
Ich erwartete, dass sie protestieren würde, aber
erneut überraschte sie mich. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie so viele
Jahrhunderte lang Wyvern gewesen und deswegen daran gewöhnt war, schnelle
Entscheidungen zu treffen. Es dauerte auf jeden Fall kaum eine Minute, bis die
Vernunft über ihre Wut siegte. »Es hindert mich ja nichts daran, erneut den
Krieg zu erklären«, sagte sie.
»Das ist eine Sache zwischen dir und den grünen
Drachen. Allerdings sollte ich dich vielleicht darauf hinweisen, dass dein Sohn
uns für deine Befreiung die Verwendung des Song-Phylakteriums versprochen hat.«
Sie zog scharf die Luft ein, Einen Moment lang
dachte ich, sie würde einen Feuerball auf mich blasen, aber nichts dergleichen
geschah. »Sag mir, was ihr mit ihm vereinbart habt.«
Ich erklärte ihr, welche Vereinbarung wir mit Jian
getroffen hatten und aus welchem Grund. Nach kurzem Überlegen nickte sie. »Rote
Drachen halten immer ihr Wort. Wenn du die anderen Stücke des Drachenherzens
beisammenhast, gebe ich dir das Song-Phylakterium, damit du das Drachenherz neu
zusammensetzen kannst. Aber du bekommst das Stück erst dann.«
»Das ist in Ordnung«, erwiderte ich, wobei ich mich
darüber wunderte, dass sie nicht auf sofortiger Rückgabe bestand. »Ich brauche
deine offizielle Annahme dieses Friedensvertrags, bevor ich Aisling sagen kann,
dass sie mit dein Rückruf beginnen soll.«
Sie ergriff das Stück Pergament und den Stift, den
ich aus meiner Lederweste zog. Leise knurrend unterschrieb sie. Mit der Spitze
des Stifts stach sie sich in die Fingerkuppe und versiegelte den Vertrag mit
Blut, wie es in der Anderwelt üblich war.
»Hervorragend. Ich glaube, du wirst das auch für
die weiseste Entscheidung halten.«
Wenn Blicke töten könnten, wäre ich auf der Stelle
tot umgefallen. Lächelnd rollte ich den Vertrag zusammen und steckte ihn ein.
»Ich muss in die Schattenwelt zurück, um Aisling Bescheid zu sagen, dass sie
mit der Rückholung beginnen soll. Es dauert bestimmt nicht lange. Du solltest
dir darüber im Klaren sein, dass Drake sicher höchstpersönlich für Aislings
Schutz sorgt. Wenn du also vorhast, sie nach deiner Rückkehr in die Welt
anzugreifen, würde ich mir das an deiner Stelle noch einmal überlegen.«
Sie schwieg, als ich in die Schattenwelt
zurückkehrte, aber ich spürte, wie aufgewühlt sie innerlich war.
Einen Moment lang schloss ich die Augen und
konzentrierte mich auf Gabriel, von dem ich wusste, dass er in der Schattenwelt
auf mich wartete. Eine Weile suchte ich nach seiner Essenz und zitterte vor
Angst, aber langsam begann sich ein warmes Glühen in mir auszubreiten, und ich
wurde erfüllt von Licht und Liebe.
»Gabriel«, flüsterte ich.
»Ich bin hier, mein Vögelchen.« Seine Stimme kam
aus weiter Ferne. Ich konnte ihn zwar nicht sehen, aber allein schon der Klang
seiner Stimme gab mir Trost an einem ansonsten trostlosen Ort. »Ist es
vollbracht?«
»Ja. Sag Aisling, dass Chuan Ren den Vertrag unterschrieben
hat.«
»Hat sie auch eingewilligt, Jians Versprechen zu
respektieren?«
»Ja.«
Er schwieg einen Moment lang. »Ich habe Drake
Bescheid gesagt. Aisling fängt sofort mit dem Rückruf an. May...«
Er brach ab, und ich spürte, dass ihm irgendetwas
Sorgen bereitete.
»Was ist los?«
»Ist Chuan Ren bei dir?«
Ich blickte hinter mich. In der Schattenwelt
bestand die Zelle aus schmutzigen Bogengängen, die sich in der tintenschwarzen
Finsternis verloren. Der Boden war bedeckt mit glitzernden Drachenschuppen. In
der Mitte stand eine Silhouette - Chuan Ren.
»Ja, ich sehe sie.«
»In der Schattenwelt?«
»Nein, in der Zelle.«
Gabriel schwieg erneut. Dann fragte er: »Wer ist
denn bei dir in der Schattenwelt?«
»Niemand. Nur du und ich.«
Ich konnte ihm förmlich anhören, wie sein Unbehagen
wuchs.
»May, es ist noch jemand da. Ich spüre die
Anwesenheit eines anderen Drachen.
Weitere Kostenlose Bücher