Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
aufzuhalten.
»Du wirfst alles weg«, fauchte Hywel. »Und wofür? Sie werden es dir nicht danken. Eine gute Tat reicht nicht aus, um wiedergutzumachen, was du getan hast, eine Schuld zu sühnen, die nur in ihren Augen existiert. Nicht einmal ein ganzes Leben voller Opfer wird ausreichen. Du wirst der Feind dieser ordentlichen, wohlerzogenen braven Leute sein. Ein Ausgestoßener … weil du den Mut hattest, zu tun, wovon sie nur träumen können.«
Rhys fuhr zusammen und für den Bruchteil einer Sekunde fühlte er die Kraft dieser Worte, ihre verführerische Bedeutung, die unverzügliche Erleichterung, die sie ihm versprachen.
Er biss die Zähne zusammen und weigerte sich, weiter zuzuhören.
Sein Vater versuchte, mit einem Handkantenschlag den roten Fleck zu treffen, der seine Kleidung verfärbte.
»Du ziehst ihre ehrenvolle Gefangenschaft dem vor, was ich dir bieten kann?«
Er schlug mit der Faust nach ihm.
Rhys wich seitlich aus.
»Wir sollten nicht gegeneinander kämpfen, sondern unsere Kräfte vereinen, Rhys. Uns unsere Stellung zurückerobern, die Würden, die uns zustehen.«
Er holte wieder aus, und Rhys wehrte ihn weiter ab, ohne anzugreifen, in einem geschraubten Tanz, der sie einander immer weiter annäherte.
»Verstehst du denn nicht, dass ich das Beste für dich will?«
Aus dem Augenwinkel sah Rhys, dass er eine Hand hinter dem Rücken versteckte. Dort, wo seine Pistole steckte.
Rhys erstarrte, trotz allem überrascht und angewidert.
Du hattest die Wahl …
»Du hast mir nichts zu bieten, Vater«, erklärte er dann und schnellte vor.
Er traf ihn mit beiden Fäusten im Magen und Hywel krümmte sich zusammen.
Rhys packte mit einer Hand seinen Nacken, obwohl die Traurigkeit ihm die Kehle zuschnürte.
Mit der anderen Hand entwaffnete er ihn.
Sein Vater ließ sich nach unten fallen, um seinem Griff zu entkommen, aber Rhys ließ ihn nicht los.
Er hatte ihn fest um den Hals gepackt.
»Du hast mir nichts zu bieten«, flüsterte er zornig an seinen Schläfen. »Ich habe zugelassen, dass du mir alles genommen hast, was ich hatte.«
Langsam hob er die Pistole und hielt sie seinem Vater an den Kopf.
Mit einem Klicken entsicherte er sie.
Es war so schwer, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Das Kind, das von Hywel so oft bestraft worden war, weil es anders sein sollte, als es war, sah seinen Vater an.
Es fühlte sich verraten und verlassen. Und verlangte nach der Rache, die auch Rhys wollte.
Er presste die Augen zusammen, und als er sie wieder öffnete, trafen sie den silbernen Blick Winters. Wundervolle Augen, die ihn vertrauensvoll ansahen, trotz allem, was er getan hatte. Sich selbst angetan. Den anderen. Ihr.
Es gibt noch etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt , sagte er sich, als er ihren Blick erwiderte.
Es schien ihm, als falle eine schwere Last von seiner Seele, sodass er sich wieder aufrichten konnte. Es zumindest versuchen konnte.
Er würde seiner Schuld keine weiteren Verbrechen hinzufügen. Nie wieder.
»Du hast Glück, Vater«, verkündete er hart. »Ich habe nicht das Recht, dir die Schuld zu geben. Ich will nicht so sein wie du.«
Morgan und Dougall näherten sich langsam.
Rhys übergab ihnen den Gefangenen und ging zu Winter. Er hatte nicht den Mut, sie zu berühren. Er verdiente es nicht.
Während Danny und Evans den Überlebenden halfen, die letzten Rebellen zu vertreiben, harrte er an ihrer Seite seinem Schicksal.
Epilog
In der Londoner Loge beobachtete Winter ihren Vater mit einem strahlenden Lächeln, während er die letzten Vorbereitungen traf.
»Du wirst eine großartige Figur abgeben, Großmeister«, sagte sie, als sie ihm im roten Licht des Sonnenuntergangs half, das Zeremonienschwert an der Seite zu befestigen.
Mit einer Verbeugung führte Morgan seine Hand an die Brust.
In Wirklichkeit fühlte er sich in dieser Rolle schrecklich unwohl.
»Du und Doug müsst mir während des Abendessens helfen. Ich fürchte, dass ich nicht mehr an feierliche Empfänge gewöhnt bin.«
»Hör schon auf, Blackey. Du warst immer ein wundervoller Dandy«, erwiderte Dougall, der sich gerade die weiße Schärpe anlegte.
Er traf Winters Blick und zwinkerte ihr zu.
Sie lachte.
Sie wusste, was ihr Lehrer dachte: Nach zwei Jahrhunderten war der Junge, der mit glänzenden Augen und klopfendem Herzen in den Orden eingetreten war, endlich bereit, ihn zu führen.
Morgan schüttelte den Kopf, konnte es aber nicht verhindern, dass seine Mundwinkel zuckten.
Er nahm die Hand
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