Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
Madison lächelte verlegen, und bevor Danny antworten konnte, wies sie mit dem Kopf auf die Straße hinter ihnen. »Sollen wir ein wenig spazieren gehen?«
»Wie du willst.«
Als sie losmarschierten, verließ Gareth die Bar auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung und folgte ihnen.
»Ist dir nichts Besonders aufgefallen an den Männern, die dich entführt haben?«
Mindestens zum zehnten Mal im Laufe dieses endlosen Spaziergangs durch die Straßen Londons wiederholte Danny Roberts dieselbe Frage, wenn auch immer wieder anders formuliert.
Madison hatte ihm schon in ebenso vielen Varianten mit Nein geantwortet, aber sie musste zugeben, dass er wenigstens kreativ war.
Als die Tower Bridge vor ihnen auftauchte, beschloss sie, die Taktik zu ändern.
»Ich habe bloß feststellen können, dass die Dreckskerle hinterhältig genug waren, mich zu entführen«, erklärte sie. »Ich meine … es ist schließlich nicht normal , so etwas zu tun, oder?«
»Normaler als du glaubst, leider«, erwiderte der Junge und sein Gesicht verdüsterte sich. »Die von Menschen begangenen Grausamkeiten sind unzählbar.«
Im Licht der Straßenlaternen glitzerten seine ruhelosen Augen vor Empörung.
Madison seufzte, mehr aus Frustration als wegen der unschönen Erinnerungen. Wenn sie so weitermachten, würden sie nie zum Ziel kommen, und Gareth lief Gefahr, entdeckt zu werden. Sie wusste nicht, wo er sich genau aufhielt, denn sie hatte den Blick die ganze Zeit über auf den Polizisten gerichtet, aus Angst, sich zu verraten. Er war aber sicher nicht weit entfernt.
Erschöpft beschloss sie, dass der Moment gekommen war, etwas direkter zu werden. »Ich habe irgendwie den Eindruck, dass meine Antworten dich nicht wirklich zufriedenstellen, Danny. Als würdest du etwas anderes von mir erwarten … Ist es vielleicht so, dass dir etwas Besonderes aufgefallen ist?«
Danny seufzte seinerseits. Er sah sie nachdenklich an und gab schließlich nach.
»Ehrlich gesagt, ja«, gestand er. »Ich war unweit von Glan Gors in der Nacht, in der du befreit wurdest.«
Das Mädchen jubelte innerlich. Wir sind so weit!
»Darran Vaughan ist mir über den Weg gelaufen, als er aus der alten Mühle floh, obwohl ich dieses Detail erst später rekonstruiert habe.«
Er schwieg unvermittelt und Madison wurde klar, dass sie zum Kernpunkt vorgestoßen waren. Sie bemühte sich um einen erwartungsvollen Gesichtsausdruck, doch Danny warf ihr einen argwöhnischen Blick zu.
Dann richteten sich seine Augen über sie hinweg auf einen Punkt hinter ihr.
»Aber das hat dir Gareth Chiplin wahrscheinlich bereits erzählt«, sagte er in einem harten Tonfall. »Was für einen Sinn hat es also, um den heißen Brei herumzureden? Wenn er dich kontrolliert oder irgendwie erpresst, kannst du es mir sagen. Ich bin Polizist, ich kann dir helfen. Ich weiß nicht, ob hinter all dem nur Evans und sein Vater stecken oder wer sonst noch, aber ich will mir Klarheit verschaffen in dieser Angelegenheit, und wenn du mir dabei hilfst, ist das nur in deinem Interesse.«
Madison errötete stark. »Es ist nicht, wie du denkst.«
Aber sie hatte keine Zeit, zu erklären, wie die Dinge lagen.
Ein durchdringender Schrei hinter ihnen ließ sie beide zusammenfahren.
Im Bruchteil einer Sekunde wurde aus dem ruhigen und besonnenen Jungen ein Polizist.
»Warte hier auf mich.«
Madison blieb allein. Aus den Augenwinkeln konnte sie das Züngeln eines blonden Haarschopfs erkennen, der in dieselbe Richtung rannte wie Danny. Gareth.
Mit einem entnervten Seufzen folgte sie den beiden.
R hys zog das weite weiße Hemd an, das man ihm auf dem Bett hingelegt hatte, ein Kleidungsstück archaischer Machart mit einer langen Öffnung auf der Brust, die von Kettchen mit zwei filigranen silbernen Schmuckverschlüssen zusammengehalten wurde.
Ihren Kandidaten das unzeitgemäße Aussehen junger Ritter zu verleihen war eine der wenigen Angewohnheiten, die der Orden vom Mittelalter bis zum dritten Jahrtausend aufrechterhalten hatte.
Die Initiation war nur eine Formalität, denn der Orden nahm jeden Vertreter der ältesten Geschlechter in seinen Reihen auf. Eine schöne Inszenierung, die allerdings perfekt dem Sinn für Humor der Vampire entsprach.
Nachdem er sein ganzes bisheriges Leben in der Überzeugung verbracht hatte, dass er diesen Schritt nie vollziehen würde, und zwar aus purem Trotz seinem Vater gegenüber, war der Moment schließlich doch gekommen.
Rhys schnaubte und schaute unruhig aus dem Fenster
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