Silver Linings (German Edition)
uns», sagt Cliff. «Also. Sind Sie bereit?»
Die Nachricht bringt mich ein bisschen durcheinander, vor allem, wo ich gerade erst eine großartige Tanznummer hingelegt habe und gehofft hatte, den Erfolg mehr als zehn Minuten auskosten zu können. «Ich hab meine Klamotten nicht mit.»
Doch da zieht Mom mein Baskett-Shirt aus einer kleinen Reisetasche, die mir vorher nicht aufgefallen war, und sagt: «Alles, was du brauchst, ist hier drin.»
«Was ist mit meinen Medikamenten?»
Cliff hält eine kleine Plastiktüte mit meinen Pillen hoch.
Ehe ich irgendwas sagen oder tun kann, brüllt die Asian Invasion noch lauter: «Baskett! Baskett! Baskett!» Die dicken Männer heben mich hoch über ihre Köpfe und tragen mich aus dem Saal, vorbei an dem Brunnen voller Fische, hinaus aus dem Plaza Hotel und auf die Straßen von Philadelphia. Und dann bin ich im Bus der Asian Invasion, trinke Bier und singe: «Fly, Eagles, fly, on the road to victory …»
In South Philadelphia machen wir halt im Pat’s Steaks, um einen Happen zu essen – wir bestellen Cheesesteaks für alle, was lange dauert, da wir um die sechzig Mann sind, aber keiner würde es wagen, nach nebenan zu Geno’s Steaks zu gehen, weil das Essen da schlechter ist – und dann sind wir am Wachovia-Parkplatz, halten direkt vor dem Tor, damit unser Bus am Morgen als Erster hereingelassen wird und wir garantiert den Stellplatz kriegen, der den Eagles Glück bringt. Wir trinken, singen, werfen uns ein paar Bälle zu und toben herum. Wir rollen den Kunstrasen aus und spielen ein paar Partien Kubb im Licht der Straßenbeleuchtung, und obwohl ich bloß zwei oder drei Bier getrunken habe, sage ich auf einmal allen, wie sehr ich sie liebe, weil sie zu meiner Tanzaufführung gekommen sind, und ich sage ihnen auch, wie leid es mir tut, dass ich die Eagles mitten in der Saison im Stich gelassen habe und dass ich dafür einen guten Grund hatte, den ich aber nicht verraten darf – und dann bin ich auf einem Sitz im Bus, und Cliff weckt mich und sagt: «Sie haben vergessen, Ihre Abendmedizin zu nehmen.»
Als ich am nächsten Morgen aufwache, liegt mein Kopf auf Jakes Schulter, und es ist ein gutes Gefühl, meinem Bruder so nahe zu sein. Er schläft noch. Leise stehe ich auf und schaue mich um und sehe, dass alle – Scott, die dicken Männer, Cliff, alle rund fünfzig Mitglieder der Asian Invasion – im Bus schlafen. In jeder Reihe schlafen zwei oder drei Männer, jeder mit dem Kopf auf der Schulter eines anderen. Überall Brüder.
Ich schleiche nach vorn, vorbei an Ashwini, der auf dem Fahrersitz schläft, den Mund weit offen.
Sobald ich draußen bin, auf dem schmalen Grasstreifen zwischen Straße und Gehweg, fange ich an, das gleiche Training, bestehend aus Sit-ups und Liegestützen, zu machen wie früher an dem schlimmen Ort, bevor mir Hanteln und ein Spinningrad und der Stomach Master 6000 zur Verfügung standen.
Nach etwa einer Stunde bricht der Tag an.
Als ich mit dem letzten Set Sit-ups fertig bin, habe ich das Gefühl, mein Cheesesteak und die paar Bier, die ich in der Nacht zuvor getrunken habe, abtrainiert zu haben, aber irgendwie hab ich trotzdem das Bedürfnis, ein bisschen zu laufen, also laufe ich ein paar Meilen, und als ich wiederkomme, schlafen meine Freunde immer noch.
Während ich neben Ashwini stehe und meinen Jungs beim Schlafen zuschaue, bin ich auf einmal glücklich, so viele Freunde zu haben – einen ganzen Bus voll.
Mir fällt ein, dass ich aus dem Plaza Hotel verschwunden bin, ohne mich von Tiffany zu verabschieden, was mir ein bisschen leidtut, obwohl sie gesagt hat, ich könne tun, wozu ich Lust habe, nachdem wir unsere Sache so gut gemacht haben. Außerdem kann ich es kaum erwarten, endlich meinen ersten Brief an Nikki zu schreiben. Aber jetzt muss ich erst mal an das Eagles-Spiel denken, und ich weiß, dass ein Sieg der Eagles so ungefähr das Einzige ist, was die Dinge zwischen mir und meinem Vater wieder ins Lot bringen wird. Also fasse ich Hoffnung und bete sogar kurz zu Gott, den meine Tanznummer gestern Abend bestimmt ziemlich beeindruckt hat, sodass Er heute vielleicht ein Auge für mich zudrückt. Beim Anblick der vielen schlafenden Gesichter wird mir klar, wie sehr ich meine Brüder in den grünen Shirts vermisst habe, und auf einmal freue ich mich richtig auf den Tag.
[zur Inhaltsübersicht]
Brief Nr. 2 – 15. November 2006
Lieber Pat,
als Erstes möchte ich Dir sagen, dass ich mich gefreut habe, von Dir zu hören. Wir
Weitere Kostenlose Bücher