Silvy macht ihr Glück
Leute nach Fornebu fahren?“
„Wenn sie es erführe? Natürlich wird sie es erfahren! Sie glauben doch nicht, daß ich es verschweigen werde?“
„Fein“, sagte Jörn.
Dann schwiegen sie, und Sylvi wünschte, daß Fornebu viel weiter entfernt liegen und das Flugzeug erst in vielen Stunden starten würde und daß – nein, was sie sich weiter wünschte, war ihr nicht ganz klar. Das einzige, dessen sie sich bewußt wurde, war die Freude, im Sonnenschein so einen prächtigen Wagen zu fahren mit Jörn an ihrer Seite.
Sie war froh darüber, daß er nicht sprach. Was gesagt werden konnte, war gesagt. Entweder mußte er nun die leere Konversation beginnen oder zu persönlichen Dingen übergehen, wozu eine so zufällige Begegnung ihn nicht berechtigte. Sylvi war froh, daß er die dritte und beste Möglichkeit wählte: zu schweigen.
Als sie sich Sollihögda näherten, hielt sie an.
„Nun? Wollten Sie vielleicht auf Sollihögda eine kleine Pause machen?“
„Das könnte verlockend sein“, erwiderte Sylvi lachend, „aber ich wollte mir nur die Jacke anziehen und die Mütze aufsetzen. Ich muß ordentlich aussehen, für den Fall, daß wir jemand begegnen, der das Auto kennt. Frau Allen soll nicht zu hören bekommen, daß ihr Chauffeur in Hemdbluse mit aufgerollten Ärmeln am Steuer sitzt.“
„Allerhand, woran so ein kleiner Chauffeur zu denken hat“, meinte Jörn. Er langte nach hinten und holte ihre Jacke.
„Klein?“ fragte Sylvi. Sie erhob sich halb, und Jörn half ihr in die Jacke. „Ich bin so lang wie ein böses Jahr. Über einssiebzig.“
„Macht nichts“, sagte Jörn. „Ich bin einsfünfundachtzig.“
Sie erreichten den Flughafen Fornebu vierzig Minuten vor dem geplanten Start des Flugzeugs.
„So“, sagte Jörn, „und jetzt will ich keine Einwände hören. Ich bitte Sie, mit mir zu essen. Also keinen Protest.“
„Warum sollte ich denn protestieren?“ fragte Sylvi.
Sie nahmen einen Tisch mit Aussicht auf den Flughafen.
Ein Flugzeug glitt gerade elegant über die Landebahn.
„Bekommen Sie nicht Reiselust?“ fragte Jörn.
„Doch“, sagte Sylvi, „und ich werde diese Reiselust wohl bald befriedigen können. Ich soll Frau Allen irgendwohin fahren, ich weiß nur noch nicht, wohin.“
„Sie halten sich also an die Erde“, sagte Jörn. „Ich dagegen habe eine Vorliebe für das Fliegen.“
„Das kann ich gut verstehen. Aber da möchte ich dann gern selbst am Steuerknüppel sitzen. Ich habe große Lust, meinen Flugschein zu machen.“
„Ja, tun Sie das nur. Ich würde mich unbesorgt als Passagier in Ihr Flugzeug setzen. Komisch übrigens, in anderthalb Stunden bin ich in Kopenhagen und morgen um diese Zeit in Amsterdam.“
„Denken Sie an mich, wenn Sie heute abend ins Tivoli gehen“, sagte Sylvi. „Ich habe eine schreckliche und kindliche Schwäche für…“
„Die Achterbahn“, ergänzte Jörn.
Sylvi brach in Gelächter aus.
„Wie konnten Sie das wissen?“
„Das ist doch klar. Doch ja, ich werde an Sie denken, ob ich nun ins Tivoli gehe oder nicht. Das verspreche ich ganz sicher. Und an was werden Sie denken?“
Sylvi sah ihn an, und ein kleines Lächeln spielte um ihre Mundwinkel.
„An die Kunst zu bremsen“, sagte sie.
Die Passagiere wurden zur Paßkontrolle aufgerufen.
Jörn nahm Sylvis Hand. „Vielen Dank für alles: für die Fahrt, und daß Sie mir hier Gesellschaft geleistet haben. Herzlichen Dank, Fräulein Eriksen.“
Er verschwand hinter der Glastür, von der kein Weg zurückführt, denn jetzt hatte das ganze Ritual mit Zoll und Paß eingesetzt. Sylvi blieb stehen, sie wußte selbst nicht warum. Er wandte sich um und lächelte ihr zu, und auf einmal rief er ein Wort durch die Tür: „Sylvi!“
Dann wurden die Passagiere auf den Flugplatz gebracht.
Sylvi ging an das große Fenster. Sie sah ihn das Flugzeug besteigen. Sie blieb stehen, bis das Flugzeug über die Startbahn zu rollen begann. Dann ging sie zum Auto hinaus. Sie setzte sich hinein und starrte in die Luft hinauf. Das Flugzeug erschien wie ein schimmernder Vogel mit Kurs nach Süden.
„Nun, Sie sind lange ausgeblieben“, sagte Frau Allen. Sie war im Garten, als Sylvi kam. „Ist etwas passiert?“
„Nein, gnädige Frau. Fräulein Allen läßt grüßen, sie ist gut angekommen. Aber auf dem Rückweg wurde ich etwas aufgehalten. Ein Herr hatte eine Panne und bat, mitfahren zu dürfen. Er mußte in Fornebu ein Flugzeug erreichen, und da fand ich, daß ich nicht nein sagen
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