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Silvy will die Erste sein

Silvy will die Erste sein

Titel: Silvy will die Erste sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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sagte er, „so militärisch wollen wir es denn doch
nicht halten. Schließlich sind wir nicht auf der Kadettenanstalt.“ Er legte
seine Aktentasche auf den Lehrertisch und überflog mit einem Blick die
versammelten Schülerinnen. „Aber, meine Damen, ich muß schon sagen, ich habe
euch unterschätzt. Niemals hätte ich gerade in dieser Klasse eine solche
Begeisterung für Mathematik vermutet.“
    Vorsichtig wurde die Tür
geöffnet, und Leonore versuchte, so unauffällig wie möglich hereinzuschlüpfen;
sie wirkte erschöpft, und ihr braunes, lockiges Haar war unfrisiert.
    Dr. Künzel entdeckte sie doch.
„Sieh an, sieh an, da kommt ja auch unsere Müllerin“, sagte er, „nein, nein, du
brauchst dich durchaus nicht zu entschuldigen, ich freue mich vielmehr, daß ich
dich überhaupt hier begrüßen darf.“
    Leonore suchte den Blick
Katrins, die ihr ermunternd zulächelte.
    „Wohlan denn“, sagte Dr.
Künzel, „machen wir es also feierlich. Ich sehe, daß nur die wenigsten von euch
Schulmappen mitgebracht haben. Das ist ausgezeichnet. Jeder nehme sich jetzt
seinen Federhalter und bringe allen übrigen Ballast hierher nach vorne.“
    „Aber man braucht doch auch ein
Lineal!“ rief Ruth..
    „Und einen Schmierzettel!“
verlangte Katrin.
    „Ihr Heuchlerinnen“, zischte Silvy
ihnen zu.
    „Nichts da“, sagte Dr. Künzel,
„heute werden einmal alle Striche mit der Hand gezogen, und alle
Nebenrechnungen müssen mir vorgelegt werden, verstanden? Es wird weder radiert
noch geschmiert!“
    Einige Mädchen jammerten,
andere murrten unterdrückt.
    „Vergeßt nicht, meine jungen
Damen“, sagte Dr. Künzel, „daß die meisten von euch freiwillig hierhergekommen
sind, um zu versuchen, ihre Zensuren aufzupolieren. Wem meine Bedingungen also
zu hart erscheinen, der kann ungehindert wieder gehen... mit Ausnahme einiger
mir... ehem.... besonders lieber Exemplare, deren Namen ich aus Gründen des
Taktes nicht noch einmal nennen will.“
    Die Mädchen lachten, und keine
machte Anstalten zu gehen. Dr. Künzel hatte sie ganz richtig eingeschätzt.
Erschienen waren alle diejenigen, die sehr schlecht in Mathematik standen, und
diejenigen, die gerne sehr gut gestanden hätten, also die besten und die
schlechtesten Mathematikerinnen; das breite Mittelfeld fehlte.
    „Also los, meine Damen... wir
wollen doch nicht den ganzen Nachmittag hier vertrödeln!“
    Nacheinander kamen die
Schülerinnen vor und stellten ihre Schultaschen neben den Lehrertisch und
legten ihre übrigen Utensilien darauf.
    Katrin konnte es sich natürlich
nicht verkneifen, einen Spaß zu machen, sie krempelte die Ärmel hoch, drehte
ihre Hände wie ein Zauberkünstler vor Dr. Künzel. „Meine Herrschaften, wie Sie
sehen... Sie sehen nichts! Nichts außer einem ganz harmlosen, kleinen
Füllhalter. Ich arbeite mit offenen Karten. Keine Tricks, kein doppelter
Boden.“
    „Auf dich werde ich ein
besonderes Auge haben, meine liebe Dame“, sagte Dr. Künzel, „du setzt dich
gleich hier vorne hin... ja, in die mittlere Bank, direkt vor meine Nase. Und
du, Ruth, verziehst dich, bitte, ganz nach hinten, in die rechte Ecke. So, und
nun wollen wir einmal weitersehen...“ Er verteilte die Mädchen so im
Klassenzimmer, daß sie schräg hintereinander saßen und möglichst immer einen
freien Platz neben sich hatten.
    „Da wir nicht die doppelte Zahl
Stühle zur Verfügung haben“, sagte er, „läßt es sich nicht vermeiden, daß die
eine oder andere von euch eine Nachbarin bekommt, aber freut euch nicht zu
früh. Ich werde drei verschiedene Aufgabenreihen unter euch verteilen, so daß
diesmal jede Mogelei völlig ausgeschlossen ist. Ja, Silvy, recht so, setz dich
nur hier vorne hin, gleich neben Katrin!“
    Er öffnete seine Mappe und nahm
einen Stoß großer, vierseitiger Rechenblätter heraus. „Wir werden diese Arbeit
nicht in die Klassenarbeitshefte schreiben, sondern auf diese Blätter... Silvy,
Katrin, bitte, teilt sie aus! Jede schreibt an den Kopf ihren Namen, die Klasse
und das Datum... sind wir soweit?“
    „Moment, bitte, Herr Doktor“,
sagte Katrin, die gerade erst auf ihren Platz zurückgeschlüpft war.
    Dr. Künzel wartete. „Die
Aufgaben“, sagte er, „verteile ich lieber selber, damit ich mich überzeuge...“
Er ließ den Satz unausgesprochen, aber ohnehin wußte jede, was er hatte sagen
wollen.
    Katrin begann sofort, die erste
Aufgabe von dem hektographierten Blatt auf ihren DIN-A4-Bogen zu übertragen,
und auch die Federn der anderen

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